August 1994
„Irgendwas fürs Vaterland“
 
Der Häftling Franz K., 20, Ex-Skinhead und überzeugter Neonazi, über seine Taten und seine Ziele, über Glatzen, Geschichte und Gesinnungstreue bis in den Tod
 
Wie sind Sie Skinhead geworden?
K. Ich bin 1989 der Bewegung beigetreten – um eine vom Volk verachtete Einstellung nach außen tragen.
Was für eine Einstellung?
K. Ich bin überzeugter Nationalsozialist und fühle mich den Werten von damals verpflichtet: Disziplin, Ordnung, Treue, Kampfgeist, Mut.
Sie sind fast 30 Jahre „danach“ geboren. Was wissen Sie über die Nazis?
K. Ich bin in der Schule einseitig informiert und von meinen Eltern einseitig erzogen worden und hab das irgendwann gemerkt. Da hab ich mich dafür interessiert, wie andere Leute das sehen.
Wo haben Sie sich andere Informationen beschafft?
K. Anfangs in der Skinhead-Bewegung und bei anderen Kameraden und später dann in Büchern, z.B. Alfred Rosenbergs „Der Mythos des zwanzigsten Jahrhundert“.
Und da dachten Sie: Jetzt habe ich etwas gefunden, das mir die Welt erklärt?
K. Das war keine Trotzreaktion. Ich habe sogar Wert darauf gelernt, mit Leuten zu diskutieren, die eine ganz andere Sichtweise hatten. Wenn ich meine Einstellung besser formulieren und festigen konnte und trotz aller Gegenargumente dazu stehen konnte, war ich stolz auf mich.

Franz K. (Name von der Redaktion geändert) ist 20 Jahre alt. Der Adoptivsohn eines Psychologen und einer aktiven Katholikin ist Neonazi und Ex-Skinhead. Er wurde im Frühjahr wegen schwerer Körperverletzung zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. K. und Freunde hatten in einem Bus einen Afrikaner bedroht. Der Fahrer, der die Polizei rief und die Türen blockierte, wurde von K. mit dem Messer verletzt. Sechs Tage später fielen sie mit Messern und Gaspistolen über eine Hochzeitsgesellschaft her und verklebten Aufkleber „Die Juden sind unser Unglück“. K. ist zum zweiten Mal im Knast. Weil er einen Taxifahrer niedergestochen hatte, wurde er 1990 zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt. Der Häftling verweigerte eine Bewährung, saß die Strafe bis auf den letzten Tag ab. Im Wiederholungsfall drohen ihm zehn Jahre Sicherheitsverwahrung. K. ist stark tätowiert, auf seinen Fingern ist die Parole „Sieg Heil“ verewigt. Als Vorbilder nennt er Rudolf Hess und Hermann Göring. Nach dem dreistündigen Gespräch verschwand Fritz K. grußlos in seine Zelle. 

Und Ihre Eltern?
K. Die waren erschüttert. Mein Vater hat einige pädagogische Tricks versucht. Er drohte mir, mich in ein Lehrlingsheim zu stecken. Aber das hat mich nicht negativ beeinflusst.
Mit 15 beschlossen sie also mal eben: Ich bin jetzt Nazi?
K. Ich war vor allem entschlossen, mich nicht von meinen Eltern beeinflussen zu lassen. Ich bin den Skinheads aus - ja - heimattreuen Gründen beigetreten; weil ich das Verlangen spürte, irgendwas zu tun, was sich positiv für mein Vaterland auswirkt. Natürlich gehörte auch die Musik dazu, und die Parole Spaß.
Was war so gut daran?
K. Die Erkenntnis, dass man auch in Zeiten wie diesen noch dazu steht.
Zum Verprügeln von Ausländern und Behinderten? Zum Zertrampeln von Gedenkstätten?
K. Das ist eine Ansammlung von haltlosen Vorurteilen. Ich persönlich sage immer: ‚Das Eisen kriegt nur der zu spüren, der uns will in den Abgrund führen.‘
Von wem ist das denn?
K. Das habe ich selber formuliert.
Die von Ihnen so verehrten Nazis haben Juden, Linke, Schwule systematisch verfolgt...
K. Ich werde darauf nicht antworten. Ich könnte mir den Mund verbrennen, weil ich den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen würde.
Aber Adolf ist klasse?
K. Ich sage ja gar nicht, dass er mein Idol ist, aber er ist doch eindeutig einer der größten Staatsmänner gewesen. Er hat es geschafft, ein Volk von einer Idee zu faszinieren.
Einer mörderischen Idee. Sie haben die Skin-Szene schließlich verlassen…
K. Ich habe eine Steigerung vollzogen.
Wie bitte?
K. Ich habe erkannt, dass es besser ist, seine Ideale und Werte nach innen zu tragen und gefestigter zu sein als nach außen zu tragen und damit labiler zu sein. Gerade in Zeiten wie diesen ist es sehr unklug, eine Vollglatze und gewisse Kleidungsstücke zu tragen.
Klingt nach Taktik.
K. Richtig.
Folgen viele Skinheads jetzt dieser Taktik?
K. Es gibt einige, die bereit sind, für die Gesinnung ihr Leben zu geben.
Sind Sie hart?
K. Ich bin im Strafvollzug hart geworden. Ich habe gemerkt, daß der Selbsterhaltungstrieb wichtiger ist als die Angst. Ein Versuch, mich von meiner Einstellung abzubringen, ist für mich nur ein Grund, noch härter meine Linie zu vertreten. Das ist eine permanente Bedrohung. Und ausländische Mitgefangene haben mich zweimal angegriffen. Zum Glück haben meine Kameraden mich verteidigt.
Hassen Sie Ausländer?
K. Ich verspüre in einigen Fällen eine gewisse Abneigung, ja.
Und der haben Sie auch kräftig Ausdruck verliehen...
K. Nicht direkt. Es hat einige Provokationen solchen Leuten gegenüber gegeben, schon durch mein Äußeres damals. Aber ich bin nie gewalttätig geworden.
Was war für Sie das erste Anzeichen Ihrer „Abneigung“?
K. Ich habe schon sehr früh Abneigung gegen andere Kulturen verspürt. Ich war ziemlich oft im Urlaub, in Spanien, Frankreich…
Soll schön da sein…
K. Als Urlaubsgebiet schon…
Wo liegt dann das Problem?
K. Jetzt muss ich aufpassen. Also: Ich kann mich mit der Kultur eines Schwarzafrikaners oder eines Türken in keiner Weise identifizieren, die ist in meinen Augen minderwertig. Man versucht, diese Kultur hierher zu bringen und unsere zu verdrängen.
Also: Weg mit denen?
K. Nein, aber sie sollen ihre Kultur dort lassen, wo sie ist…
…und endlich Egerländer Blasmusik hören.
K. Nein, aber nicht versuchen, uns Ihre Kultur aufzuzwingen. Sogar unsere eigenen Politiker das.
Will Helmut Kohl Sie zum Islam bekehren?
K. Nein, aber wir driften in eine europäische Gemeinschaft, wo alles zusammengewürfelt wird, selbst Währungen und Sprachen. Das ist doch Multikultur. Wir geben unsere Kultur her, unsere Identität.
Und deshalb zündet Ihr Heime für Asylbewerber an?
 K. Nein, die Effektivität solcher Aktionen lässt zu wünschen übrig.
Die Effektivität? Sie hätten wohl lieber Gaskammern?
K. Nein, aber eine durchorganisierte Bewegung wie die NSDAP.
Was soll die tun?
K. Das überschreitet meine Kompetenzen, Politik zu machen ist nicht meine Aufgabe.
Was ist Ihre Aufgabe?
K. Dem Zeitgeist zu trotzen. Dass es keinen festen Zusammenhalt mehr gibt. Nur eine Gesellschaft von konsumsüchtigen Bürgern, wo jeder nur versucht, ohne Rücksicht das beste für sich zu erreichen.
Was war die beste Zeit in Ihrem Leben?
K. Auf diese Zeit warte ich noch.
Wovon träumen Sie?
K. Ich träume gar nicht, denn Träumereien sind geistige Schwäche.
Welche Menschen bedeuten Ihnen etwas?
K. Die, deren Charaktere sich nicht brechen lassen.
Kommen Sie klar im Knast?
K. Ich habe die 41 Monate, die ich jetzt rum habe, ganz gut überstanden. Leider komme ich hier ganz gut klar.
Leider?
K. Man kann sich so an das monotone Geschehen hier gewöhnen, daß man den Realitätssinn verliert und den Wunsch, ein freies, eigenes Leben zu führen.
Sie und Ihre Kumpels haben einen schwarzen Studenten bedroht und einen Busfahrer verletzt…
K. Ich bin lediglich zum Busfahrer gegangen, weil der uns bis zum Eintreffen der Polizei festhalten wollte. Ich habe zur Bedrohung mein Messer gezogen und gesagt: ‚Würden Sie bitte die Türe öffnen‘…
So gewählt reden Sie mit einem Messer in der Hand?
K. Ich drücke mich immer relativ gewählt aus. Der Busfahrer hat sich dann durch unnötige Bewegungen selbst verwundet.
Die zweite Tat war der Überfall auf eine vermeintliche Ausländerhochzeit…
K. Völlig absurd. Wir waren auf dem Weg zu einer Lokalität. Ich kannte mich da gar nicht aus und wir waren auch nur leicht bewaffnet. Ich wollte da nur meiner Notdurft…
Und dann haben Sie einem Gast mal eben Gas ins Gesicht geschossen, ihm in den Rücken gestochen und schnell ein paar Aufkleber der NSDAP-AO verklebt…
K. Ich habe in meinem Leben keine Gaspistole besessen. Das mit den Aufkleber habe ich zugegeben.
Wo hatten Sie die her?
K. Das ist ohne Belang.
Sind Sie organisiert?
K. Nein
Der Richter hat an Sie appelliert, sich psychologisch betreuen zu lassen.
K. Mein Vater ist Diplompsychologe und ich weiß ungefähr, mit was für Tricks diese Leute arbeiten.
Fühlen Sie überhaupt etwas? Was sagen Sie zu Brandanschlägen wie in Mölln oder Solingen?
K. Einzeltäter.
Ich fragte nach Ihren Empfindungen.
K. Ich hatte keine große Gefühlsregung. Überall in der Welt passieren Unglücke, Kriege und Verbrechen. Das ist von der Presse aufgebauscht worden. Ist ja klar, daß Otto Normalverbraucher sofort eine Abneigung gegen jeden Nationalsozialisten hat, wenn er die verbrannten Kinder sieht. Das ist ein geschickter Schachzug des Weltjudentums.
Das glauben Sie nicht wirklich!
K. Daran hab ich keine Zweifel.
Haben einige Skins sich danach zurückgezogen?
K. Einige haben Schwäche gezeigt. Da ist die Spreu vom Weizen getrennt worden.
Und der Überfall auf die KZ-Gedenkstätte Buchenwald?
K. Was soll so eine Gedenkstätte überhaupt bezwecken? Ich kenne keine Gedenkstätte für deutsche Krieger oder die Opfer der alliierten Fliegerangriffe. Wo ist da die Gleichberechtigung?
Diese Gedenkstätte soll an den Massenmord der Nazis erinnern. In diesen Niederungen gibt es keine „Gleichberechtigung“.
K. Nein, sie soll den Nationalsozialismus schlechter machen als er ist.
Dann freuen Sie sich gewiss über diese Attacken.
K. Nein. Ich denke, auch diese Tat hatte keine politische Motivation.
Schadet so etwas womöglich Ihrer „Bewegung“?
K. Es schadet ihr insofern, als es ein schlechtes Licht auf uns wirft. Aber es nützt ihr auch, weil es in dieser schweren Zeit zeigt, wer die Stärke hat, zu unseren Idealen zu stehen.
Wenn Sie jetzt frei wären, was würden Sie tun, um Ihre Gesinnung auszuagieren?
K. Das werde ich Ihnen garantiert nicht auf die Nase binden.
Haben Sie je erwogen, Ihre Ideologie aufzustecken?
K. Ich glaube, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Eine Aufgabe kommt immer einem Schuldbekenntnis gleich und ich fühle mich in keinster Weise schuldig.
 
Interview: Tom Schimmeck