Ein bißchen
Blau für die Hölle
Kambodschas schwieriger Abschied von
einer langen Ära des Terrors
1993
von Tom Schimmeck
Am anderen Ufer leben die Krüppel. Überladen
mit Menschen und Mopeds schaukelt die Fähre über den graubraunen
Strom Tonle Sap, vorbei an der großen, gesprengten Brücke -
zwei Betonstümpfe, die ins Nichts ragen. Auf dem der Stadt zugewandten
Fragment bruzzeln Straßenhändler kleine Speisen. Den Blick auf
Phnom Penh und den Zusammenfluß mit dem Mekong gibt es gratis dazu.
Vom Anleger sind es nur noch ein paar Mopedminuten nach Kien Kleng,
eine alte Farm, ein paar große Gebäude mit viel hartem, staubigen
Boden dazwischen über den junge Männer mit ihren schlichten Holzrollstühlen
holpern. Meist fehlt ihnen ein Bein, oder beide, abgerissen von Minen,
mit denen ganz Kambodscha gespickt ist. Einige haben Familie, viele sind
allein.
Die meisten hat es als Soldaten erwischt. Ein falscher Schritt, ein
Knall, ein Schrei, und schon ist man ein Held - und ein Krüppel. Der
Staat gibt ihnen eine karge Unterkunft, etwas Reis und 5000 Riel im Monat,
weniger als vier Mark. Früher bettelten sie in der Stadt. Aber ihr
Anblick unterminierte wohl die Kampfmoral derer, die noch ganz waren, erinnerte
die gesunden Kambodschaner daran, daß diese Schicksal sie auch jeden
Tag ereilen kann. So ließ man die Amputierten hierher bringen. Aus
den Augen, aus dem Sinn.
"Ich will den Krieg vergessen", sagt Tet Sary, 26. Beim Erzählen
legt er beide Hände um den linken Stumpf und wiegt den schmalen Oberkörper.
Mit 17 wurde er Soldat, vier Jahre später riß ihm eine Mine
die Beine weg. "Seither hat es in meinem Leben nur sehr, sehr geringe Veränderungen
gegeben", meint er und blinzelt in den hellen Himmel. Will sagen: Ein Unterschied
von Krieg und Frieden ist ihm hier noch nicht aufgefallen. Kein Wunder,
daß Tet Sary skeptisch in die Zukunft blickt.
Auch sein Freund Tuen Hoen, 29, sitzt in einem hölzernen Gefährt.
Auch er hat eine Frau und ein Kind. Auch er ist als Soldat auf eine Mine
getreten, irgendwo im Nordwesten. Seine Familie war schon Jahre früher
vor Pol Pots Leuten geflohen. Seit 14 Jahren hat er nichts von ihnen gehört.
"Niemand will in die Vergangenheit zurück." Sie denken zuweilen nach
über ihre Vergangenheit und sprechen darüber - denn sie haben
massenhaft Zeit. "Wir alle müssen eine Entscheidung treffen. und wir
müssen trennen, wer wie vorher waren und wer wir nun als Behinderter
sind. Er legt die Hände entspannt um seinen rechten Beinstumpf. "Manchmal
verschwindet er Schmerz, wenn wir reden, Witze machen und lustige Geschichten
erzählen."
Verstümmelung einer Nation. Mindestens 40.000 Kambodschaner wurden
durch Minen schon zu Krüppeln. In einer Werkstatt von Kien Kleng werden
Prothesen aus Aluminium, Baumwolle und Gummi hergestellt; es stinkt ein
wenig verbrannt. Geld und Know-how kommen vom Indochina Project, einer
Organisation von Veteranen aus den USA, die einst gleich nebenan, in Vietnam,
einen Krieg führten, den sie heute für Irrsinn halten.
"Wir sind Hier, um Brücken zu bauen", sagt Ron Podlaski, der etwas
verrückte Projektleiter. Schließlich habe seine werte Heimat,
die USA, eine "verdammt große Verantwortung", schon weil amerikanische
Bomben auf Phnom Penh anno 197x den Roten Khmer letztlich zum Sieg verhalfen.
Die Großmächte hätten diesen Krieg in Gang gehalten und
das Land von der Welt abgeschnitten. Angewidert verzieht er das Gesicht:
"Ich finde das nicht weniger teuflisch als was die Roten Khmer getan haben."
Prothesen bauen, damit ein paar tausend Opfer wieder gehen können
- ein pragmatisches Ziel, für das sein Optimismus gerade ausreicht.
Da hat er keine Scheu, sogar mit der verrufenen, von Vietnam installiertem
Hun Sen-Regierung zusammenzuarbeiten. Sicher sei das Regime korrupt, grunzt
er und stürzt ein Dosenbier herunter, "aber alle haben ihre Hand in
der Kasse".
Umso skeptischer beäugt Ron "die große Show" - all die Soldaten
und Polizisten, die Diplomaten, Experten, Sekretärinnen und Techniker
der UNO, die dieses Jahr in Phnom Penh eingerückt sind, den großen
Frieden zu bringen. Mit Laptops und Gewehren sollen sie ihre "Übergangsverwaltung"
der Blaumützen etablieren, der Regierung und den drei Guerillagruppen
die Waffen und die Kontrolle über das Land abnehmen, um sie im nächsten
Jahr einer demokratisch gewählten Regierung zu übergeben. So
steht es im Friedensabkommen von Paris, das die Kampfparteien im Oktober
1991 unterzeichneten.
Ein Plan wie aus dem Bilderbuch des Weltfriedens. Die Realisierung wird
mindestens drei Milliarden Mark kosten. Kein zu hoher Preis, wenn es gelänge,
dieser Nation, der die Geschichte so übel mitgespielt hat, eine Zukunft
zu geben. Zumal die Kambodschaner nicht allein für ihre Misere verantwortlich
sind. Die USA, China, die Sowjetunion, Vietnam, Thailand, Singapur und
noch ein paar Staaten haben im kleinen Kambodscha ihre geostrategischen
Visionen ausgelebt, ihre Marionetten tanzen lassen.
UNO ist besser als Krieg, meint auch Ron. Aber er zweifelt stark daran,
daß sie ihr Ziel erreichen werden. "Sie leben wie die Könige",
sagt der Amerikaner, "ihre Dollars treiben die Preise hoch." Tatsächlich
ächzt der wertlose Riel unter dem Ansturm harter Währung, springt
schon mal in drei Tagen um 30 Prozent in die Höhe. Am Ende, so Rons
düsterste Prophezeiung, würden all jene, die jetzt schnell viel
Geld machten, zusammen mit UNTAC das Land verlassen. Und dem großen
Rest bliebe wieder nur Krieg und Chaos.
Doch vorerst gibt es auch Hoffnung. In Phnom Penh kämpfen die schweren,
weißen UN-Fahrzeuge mit den vielen Mopeds, Fahrrädern und Rikschas
um Platz auf der Straße. Kinos und Kneipen haben geöffnet, das
Bordellwesen boomt. Die Märkte quellen über, sind voll mit Schmuggelwaren
aller Art, die wenige bezahlen können, aber alle bestaunen dürfen.
Überall wird gebaut, der Dollar rollt. Bald täglich steigen ängstlich
und ungläubig blickende Flüchtlinge aus Zügen mit blauen
Fähnchen, einige waren 15 Jahre lang auf der Flucht. Es sind Menschen
mit großen körperlichen und seelischen Narben, die nur noch
ein kleines Stück Land und Ruhe wollen. Viele wurden gefoltert, haben
Kinder, Partner, Eltern verloren. Wieviel Schmerz kann ein Mensch ertragen?
Und wieviel kann er vergessen?
Im schönen Palast residiert wieder Prinz Norodom Sihanouk, Präsident
des neuen Nationalrats der verfeindeten Parteien, eine Art Ersatzstaatsmacht
auf Abruf. Der xxjähringe Prinz hat eine kurvenreiche Biographie:
1970 war er vom rechten General Lon Nol gestürzt worden, der den Amerikanern
in Vietnam helfen sollte. 1976 stellten ihn die neuen Herrscher, die Roten
Khmer, unter Hausarrest. Als dann, nach der Invasion Vietnams, die Regierung
Hun Sen kam, verbündete sich Sihanouk mit den Roten Khmer und den
Republikaner unter Son Sann, zum bewaffneten Kampf.
Bis heute ist der Prinz der populärste Politiker Kambodschas. Auch
die zahlreichen neuen Parteien können ihm nicht das Wasser reichen.
Wo immer er sich, geschmückt mit Blumenkränzen, bewacht von einer
finsteren Bodyguards aus Nordkorea, unters Volk mischt, regt sich Freude
und Respekt. Seine Mitarbeiter predigen Versöhnung, reden vom Dualismus
des Guten und des Bösen, beschwören Humanismus und Zivilisation.
"Die Zeit ist der Meister", sagt Sihanouks Kabinettschef, der in einem
Gewirr von Computern und Telefonen gelassene Zuversicht zu versprühen
sucht. "Jeder hat den Krieg satt."
Wenige Schritte entfernt, im Schatten des Prinzenpalastes, steht das
neue Hauptquartier der Roten Khmer. Ein Neubau mit Klimaanlage, umgeben
von hohen Mauern, die nachts angestrahlt werden. Das stählerne Tor
ist stets geschlossen. Verlautbarungen werden durch eine kleine Luke nach
draußen gereicht. Der Pakt der feinde gab auch den Roten Khmer, heute
offiziell die "Partei des Demokratischen Kamputschea" (PDK), das recht,
sich wieder in der Hauptstadt zu etablieren, die sie einst entvölkerten.
Sie bleiben der unberechenbarste, mysteriöseste Partner im Friedensprozeß.
Nach außen hin beteuert die Partei, demokratisch geläutert zu
sein und den Schlächter Pol Pot in den Ruhestand geschickt zu haben.
Die Roten Khmer versuchen sich als einzig treue Nationalisten zu präsentieren,
als Bollwerk gegen all die fremden Mächte, die Kambodscha doch immer
nur Übel gebracht haben - französischer Kolonialismus, japanische
Besatzung, amerikanische Bomben, eine Invasion aus Vietnam. Kenner sind
sich sicher, daß der schreckliche Vorsitzende noch immer die Fäden
zieht.
Beharrlich weigert sich die Partei, die Waffen abzugeben. Bei der letzten
Verhandlungsrunde vor einem Monat ((Red.: 7.11.)) in Peking erschien Khieu
Samphan, der offizielle PDK-Chef, Stunden zu spät, gab keinen Millimeter
nach und bezeichnete seine Horrortruppe anschließend öffentlich
als "Opfer der Aggression". Beteiligte Diplomaten drohen nun, UNTAC müsse
entweder ihre 15000 Soldaten und 6000 Zivilisten aus Kambodscha abziehen
oder Gewalt anwenden. Die Zeit wird knapp. Wahlen zu einer Verfassungsversammlung
sind bereits für Mai 93 geplant, die Registrierung der Wähler
hat längst begonnen. Schon überlegen die UN-Strategen, ob sie
den Prinzen Sihanouk nicht zügig zum Präsidenten wählen
lassen sollen, um schnell einen Stabilitätsfaktor gegen die Roten
Khmer zu haben. Die Mehrheit der Stimmen wäre ihm wohl sicher.
Eine Mauer umgibt auch das Gelände, wo einst das "Sicherheitsbüro
21" der Roten Khmer untergebracht war, dazu Sichtblenden und Stacheldraht,
der früher unter Strom stand. Zuvor war es eine ganz ordinäre
Oberschule. Aber kaum jemand wird genug Phantasie aufbringen, sich hier
spielende und lachende Kinder vorzustellen. Der Ort, mitten in einem Wohnviertel
Phnom Penhs, riecht förmlich nach Qual, nach Blut und Tod. Die Fassaden
wurden mit Stahl vergittert, die Klassenräume mit Brettern und hastig
aufgeschichteten Steinen in winzige Zellen aufgeteilt. Ein Folterzentrum
jenes Schreckensregimes, das mit wenigen anderen um den Spitzenplatz auf
der Grausamkeits-Skala des 20. Jahrhunderts konkurriert.
Nur die letzten 14 Menschen, von den Roten Khmer am 10. Januar 1979
Minuten vor ihrer Flucht erschlagen, haben hier Gräber. Alle anderen,
die hier gefoltert wurden, wurden außerhalb der Stadt hingerichtet
und in Massengräbern verscharrt. Die Folterkammern sind, bis auf die
bestatteten Opfer, noch so, wie sie die vietnamesichen Truppen vor bald
14 Jahren vorfanden. Eiserne Bettgestelle mit metallenen Fesseln für
die Opfer, hier ein Kleidungsstück, dort ein dunkelroter Fleck - altes
Blut. Bilder an den Wänden, nach Zeugenaussagen gemalt, zeigen die
vielen Foltermethoden - Elektroschocks, Peitschen, das Zertrümmern
der Gliedmaßen, das Untertauchen, das Ausreißen von Fuß-
und Fingernägeln. Die Peiniger haben sich fotografiert: Junge Burschen
mit schwarzen Ballonmützen, die keck und entschlossen dreinschauen.
Und ihre Opfer: Etliche hundert Fotos von Mädchen und Jungen, von
Frauen mit Babys, von Greisen, viele mit angstgeweiteten Augen, einige
in Ketten, oder mit einer Schlinge um den Hals. Draußen im Hof hängt
die Lagerordnung. Regel 6: "Wenn Du Peitschenhiebe oder Elektroschocks
bekommst, darfst Du nicht weinen." Regel 3: "Sei nicht verrückt und
gefährde die Revolution."
Gibt es ein Leben nach den Roten Khmer? Für ihren kruden Agrarkommunismus
haben sie das Land zerstört und wohl ein Fünftel der Bevölkerung
ausgerottet. In den von ihnen kontrollierten Gebieten im Norden und Nordwesten,
etwa 10 Prozent des Landes, soll es immer noch Exekutionen geben. "In der
Zeit Pol Pots, während dieser drei Jahre, acht Monate und 20 Tage,
sind wir alle gefoltert worden", erinnert sich ein alter buddhistischer
Mönch mit großer Brille in einem Tempel von Phnom Penh. Sie
wurden mit Schüssen aus dem Tempel verjagt, exkommuniziert und - wie
die meisten Lehrer, Ingenieure, Intellektuelle - zur Arbeit in den Reisfeldern
gezwungen. "Viele sind daran gestorben, oder wegen Hungers oder Krankheiten."
Die Tempel wurden zu Werkstätten, Molkereien, Lagern.
Die Roten Khmer schürten den Neid der Landbevölkerung. Alle
sollten gleich sein. Und so wurden die Städter aufs Land getrieben.
"Die Bauern wollten, daß die Städter genau so hart arbeiten
wie sie selbst", sagt der Mönch. Er sitzt auf seiner Matte und schaut
auf das friedliche Leben in der weiträumiger Tempelanlage. Kinder
spielen in der Abenddämmerung, von den Feuern, auf denen das Abendessen
zubereitet wird, steigen würzige Rauchschwaden auf. "Demokratie ist
gut", meint er. "Die Menschen lieben Demokratie."
Verhebt sich die UNO an der aufwendigsten und kostspieligsten Operation
ihrer Geschichte, wird der Krieg wieder aufflammen, bevor Kambodschaner
auch nur einen Hauch von Demokratie erlebt haben. Die rigorosen Kritiker
sagen: Alle Versöhnungsversuche bescherten den roten Khmer nur eine
Chance, sich zu reorganisieren, die Flinten zu putzen, neue Lager und Verstecke
anzulegen, neue Kämpfer zu trainieren und Nachschub an Waffen und
Munition zu beschaffen. Man müsse die Roten Khmer, wie einst die Nazis,
militärisch schlagen und Kriegsverbrecher bestrafen.
Nun erwägt die UNO, die Roten Khmer mit Sanktionen in die Knie
zu zwingen. Doch die verfügen im Grenzgebiet Kambodscha-Thailand über
beste Verbindungen, treiben seit Jahren einen schwunghaften Handel mit
korrupten Thai-Militärs und gierigen Geschäftsleuten, die ihnen
Edelhölzer und -steine abkaufen oder gegen Waffen tauschen. Sanktionen
wären wohl wenig wirkungsvoll. Entlang der 800 Kilometer lange Grenze
gibt es nicht nur Berge und Dschungel, sondern auch Malaria und Minen satt.
Die Ortsansässigen verstehen sich schon seit französischen Kolonialzeiten
aufs Schmuggeln und Schieben. Der Schwarzhandel hat seit dem Halbfrieden
von Paris sogar zugenommen, weil viele Krieger mit kaufmännischer
Weitsicht fanden, daß es ertragreicher ist, seine Ausrüstung
zu verkaufen, als sie kostenlos an die UN-Aufseher abzutreten. Die Grenzregion
ist ein Waffen-Basar.
Wer helfen will, darf an all dies nicht denken. Es sind die kleinen
Helden der UNO, die, zuweilen wider besseres Wissen, wirkliche Hoffnung
verbreiten. Sie werden überall strahlend begrüßt, weil
sie jeden Tag einfach losziehen und etwas tun. Die Soldaten aus Holland
und Neuseeland etwa, die Kambodschanern die Minensuche beibringen. Ein
mühsames Geschäft: Zuerst sucht man mit einem Grashalm vorsichtig
nach gespannten Drähten. Dann streicht man langsam mit dem Metalldetektor
über den Boden. Und wo immer es piept, müssen behutsame Hände
Schrauben, Blech, Munitionssplitter freilegen, und eben auch Minen. Die
kleinen Plastikdinger, die einem "nur" den Fuß verstümmeln.
Und die großen Teller, die einen Panzer kaputtkriegen.
So ein Minensuchtrupp schafft nur ein paar Meter pro Tag. Es wird Jahre
dauern, bis die Menschen überall fest auftreten können. Noch
länger wird es dauern, bis Kambodschaner den Glauben an humane Grundprinzipien
wiedergefunden haben. Wackere UN-Experten ziehen mit einem dicken Buch
in die Dörfer, dem "Menschenrechts-Curriculum für Kambodschaner".
Jeder, lehrt Lektion zwei, "hat das Recht auf Leben, Freiheit und persönliche
Sicherheit". Davon träumt Kambodscha.
TEXTENDE
PARTIKEL
()= steht aucht im Text
UNTAC, die UN-Übergangsverwaltung von Kambodscha, ist der wohl
größte Einsatz in der Geschichte der Vereinten Nationen. Die
etwa 21000 UN-Beobachter, -Fachleute, -Soldaten, -Mediziner, -Polizisten
usw. kommen aus über 30 Nationen. Sie sollen die verfeindeten Fraktionen
entwaffnen und demobilisieren, etwa 350000 Flüchtlinge heimbringen,
Brücken reparieren, die Polizei und Verwaltung kontrollieren, Menschenrechte
propagieren, Minen räumen, politische Gefangene befreien, neue Gesetze
entwerfen, Wähler registrieren und die für Frühjahr 1993
geplante Wahl überwachen. (Die Operation wird mindestens drei Milliarden
Mark kosten. Grundlage ist ein von allen Parteien im Oktober 1991 in Paris
unterzeichnetes Friedensabkommen.)
Der Bürgerkrieg von 1970-75 kostete etwa 200.000 Menschen das Leben.
Bei den Kämpfen von 1979 bis 1991 starben circa 300.00 Menschen. Der
Anteil der Frauen an der Bevölkerung wird - durch die vielen Kriegstoten
- auf bis zu zwei Drittel der Bevölkerung geschätzt.
Gleich nach ihrer Machtübernahme im April 1975 begannen die Roten
Khmer, die Menschen en masse aus den Städten zu vertreiben. Sie mußten,
oft unter Züchtigungen, in den Reisfeldern arbeiten, viele starben
durch Hunger oder Krankheiten. Große Teile des Bürgertums, Mönche
und Intellektuelle wurden systematisch ermordet. In den dreieinhalb Jahren
ihrer Herrschaft starben zwischen 500000 und einer Million Menschen.
Kambodscha zählt zu den ärmsten Ländern der Erde, über
50% der Bevölkerung sind Analphabeten. Das Verwaltungssystem stammt
noch aus französischer Kolonialzeit (1863-1953). Bildungs- und Gesundheitswesen
sind dürftig, die Infrastruktur ist miserabel. Es mangelt an Fachkräften
und Beamten. Starke Waldrodungen führen zu ökologischen Problemen
- die Roten Khmer haben große Mengen Edelhölzer an thailändische
Unternehmen verkauft, um ihren Krieg zu finanzieren; auch Laos und Vietnam
bedienen sich im Nachbarstaat.
©
Schimmeck |