"Blauland will
Frieden"
Mit obskuren Methoden versucht die Bundeswehr,
Freund und Feind ihren Auftrag nahezubringen
1988
von Tom Schimmeck
Da sind jemandem die Worte ausgegangen: Er befinde
sich "in einer Sackgasse", klagt der uniformierte Seminarteilnehmer, "draußen
in der Truppe" könne er "nicht so argumentieren".
"Ich meine, daß die Bevölkerung sich etwas blenden läßt
von den guten Worten des Herrn Gorbatschow", fürchtet ein anderer
- "und auch die Politiker", ergänzt sein Nachbar. "Für mich",
resümiert ein Vierter verzweifelt kategorisch, "besteht die Bedrohung
aus dem Osten nach wie vor." Die verkörpere, sagt er schlicht, "der
Russe".
Der Seminarleiter, Offizier wie die Zuhörer, steuert mit kräftiger
Stimme einen "kameradschaftlichen Tip" bei: Mit markigen Drohungen vor
der Gefahr des "Weltkommunismus holen wir heute keinen mehr hinterm Ofen
vor", rät er, "da müssen wir etwas vorsichtig sein".
Die ratlose Runde, die sich über den Sinnschwund der Streitkräfte
den Kopf zerbricht, tagt in einem nüchtern möblierten Seminarraum
der Bundeswehr- "Akademie für psychologische Verteidigung" - Amtssitz:
Das Kleinstädtchen Waldbröhl im Bergischen Land.
Der Bau in Hanglage ist von herausragender Häßlichkeit. Eine
überdimensionierte Freitreppe, schmale, hochaufragende Fenster wie
überdimensionierte Schießscharten - ddas Monstrum wurde einst
von den Nazis erbaut, um Kraft durch Freude abzustrahlen.
In der Eingangshalle ist der Versuch mißlungen, die Optik des
Dritten Reiches zu entschärfen. Riesenmosaike prangen an den Wänden,
hier blond- fleißiges Landvolk, dort ein kraftstrotzender Jüngling,
aus dessen Hand ein Falke aufsteigt, dazwischen - man hat sich immerhin
bemüht -Astrid Lingrens Rede zur Verleihung des Friedenspreises des
Deutschen Buchhandels: "Nie wieder Gewalt".
Die eigentümliche Schulungsstätte, eine, wie Akademieplaner
Oberstleutnant Paul Schulz beteuert, "ganz normale Truppengattung des Heeres",
rüstet rund 1500 Militärs pro Jahr für das immer schwierigere
Geschäft des Umgangs mit Untergebenen und Bevölkerung. Auch interessierte
Lehrer, Pastoren und Journalisten werden, so sie für die Truppe in
die Bresche zu springen bereit sind, gern geschult.
Soldaten vom Kompaniefeldwebel an aufwärts etwa lernen im Lehrgang
"Argumentation und Gesprächsführung", das Banner der Streitkräfte
auf Veranstaltungen wie im privaten Kreis "auftragsgerecht" (Schulz) hochzuhalten.
Offiziere werden in kleineren Gruppen ("Psychologische Verteidigung als
Führungsaufgabe") auch für härtere Schlachten präpariert:
Diskussionen in Schulklassen und auf dem Podium größerer Säle.
Jugendoffiziere, an Schulen eingesetzt, um bei jungen Leuten das angeschlagene
Ansehen der Streitkräfte zu mehren, werden auf der Waldbröhler
Anhöhe darauf trainiert, auch im Streß wehrkraftfördernde
Worte zu finden. Drei Videokameras filmen die uniformierten Botschafter
beim Üben. Selbst die richtige Körperhaltung will gelernt sein:
Ein Repräsentant der Bundeswehr steckt die Hände nicht in die
Hosentaschen, fletzt sich auf keinem Stuhl.
"Der Gorbi-Effekt", das räumen Psycho-Dozenten in Waldbröhl
offen ein, wirkt nicht eben belebend auf Kampfesmut und Argumentationskraft
der Uniformträger. Auch das hilflose NATO- Gebrummel zu den
Vorschlägen aus Moskau liefert den Psycho-Verteidigern und ihrer Kundschaft
wenig Munition für selbstbewußte Rhetorik.
Schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr steht das bundesdeutsche Militär
in Volkes Ansehen da. Umfragen belegen: Atomare Abschreckung ist out, aber
gut zwei Drittel wollen auch in konventionelles Geschütz nicht noch
mehr Geld stecken. Bei einer Emnid- Umfrage im vergangenen Herbst, Auftraggeber:
das Bundesverteidigungsministerium, landete die politische Aufgabe "Schutz
der Bundesrepublik gegen äußere Bedrohung" auf dem letztmöglichen
Platz. Angst vorm übermächtigen Osten, seit der Wiederbewaffnung
der Bundesrepublik anno 195x sinnstiftend fürs Militär, scheint
sich ersatzlos zu verflüchtigen.
Da sehen sich jene wieder gefordert, die schon bei Gründung der
Bundeswehr, auf dem Höhepunkt des kalten Krieges, auf Geheiß
des Verteidgungsministers Franz Josef Strauß die neue Armee gegen
Widerworte innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen abzuschirmen
hatten. Die Psychologische Verteidigung, auf der Hardthöhe kurz PSV
genannt, muß ins Gefecht.
Seit dem Wiederaufkommen der Friedensbewegung Anfang der 80er Jahre
sind PSV-Experten verstärkt im Einsatz, um Zweifel im Volk, aber auch
bei den eigenen Soldaten einzudämmen. PSV- Offizier Schulz,
zuvor Kommandeur in Braunschweig, erinnert sich an eine Situation, die
im PSV-Sprachgebrauch nach dem alten Wehrmachtsschlager "Lage Lilli Marleen"
("Vor der Kaserne...") genannt wird.
Blitzschnell ließ Schulz beim Anrücken von Friedensdemonstranten
einmal Handzettel als Gegengift an die Soldaten verteilen. Am Tor der Militäranlage
wurde auf Geheiß des Kommandeurs eine Mülltonne für die
Flugblätter der Blockierer aufstellen, "damit der Dreck nicht in der
Kaserne rumfliegt".
Die vertrauliche Dienstvorschrift "ZDv 1/200 VS-NfD Psychologische Verteidigung",
im November 1983 nach jahrelanger Vorarbeit erlassen, erfaßt nicht
nur den "Feind", sondern auch die zu schützende Bevölkerung mit
skeptischem Auge. PSV-Stabsoffiziere in Korps, Wehrbereichs- und Territorialkommando
sollen auch "im Frieden" alle "Erkenntnisse über Motive von Gruppen,
die dem Wehrdienst indifferent" oder gar "feindlich gegenüberstehen",
auswerten.
"Im Frieden wie im Krieg", so will es die Vorschrift, soll PSV die psychologischen
"Wechselwirkungen" zwischen "den Streitkräften, der Bevölkerung
und den Kräften des Gegners" tatkräftig beeinflussen. Ziel: "erwünschte
Wirkungen zu erreichen oder zu verstärken, unerwünschte aber
auszuschalten oder einzuschränken". Denn "das Verhalten der Bevölkerung
in Krisen und im Krieg", Schreckensvision der Hardthöhe, "kann den
militärischen Erfordernissen zuwiderlaufen und den Dienst der Truppe
stören".
Da gilt es zeitig vorzubauen. Seit Jahrzehnten liefert das PSV-Netz
an die Akademie und die vorgesetzte Hardthöhe detaillierte Berichte
zur "psychologischen Lage". Minutiös wird über Infotische und
Flugblätter Monate Buch geführt, auch mal über eine Kreisdelegiertenkonferenz
der DKP, wo wohl, so die Diktion der Dienstanweisung, "offene Aktionen
extremistischer Gruppen gegen Verteidigungsbereitschaft und Bundeswehr"
erörtert wurden. Zuweilen zeigen die Soldaten-Reporter dabei unfreiwillige
Komik: "Die psychologische Lage", resümiert der Düsseldorfer
PSV-Beauftragte in seinem Januar-Report, "war im Berichtszeitraum im Wehrbereich
III stabil."
"Wir müssen auf die aktuelle Argumentation reagieren", lautet die
offizielle Begründung für das exzessive PSV-Berichtswesen. Doch
die Produkte muten eher wie das Werk eines dilettantischen, aber akribisch
werkelnden Spezialnachrichtendienstes an. Es wird nicht argumentiert, sondern
aufgelistet.
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit sammelt die Bundeswehr,
abseits der bekannten Geheimdienste, durch die Psycho-Verteidiger Informationen
über alle möglichen ihr verdächtig erscheinenden Umtriebe
im Lande. Seit langem schon: Die "PSV- Information" des Wehrbereichkommandos
III in Düsseldorf für den Januar 1974, ohne Anlagen schon 64
Seiten stark, zeigt, das auch unter sozialliberalen Verteidigungsministern
die zur Beobachtung ausgeschriebenen Aktivitäten größzügigst
ausgelegt wurden.
In dem Bericht, symptomatisch für den seit Jahrzehnten ungebrochenen
Sammeleifer, wird die Verteilung der Betriebszeitung "Roter Hobel" vor
einer Dortmunder Zeche ebenso vermerkt wie der Verkauf des "Roten Morgen"
in der Münsteraner Innenstadt; Beratung von Kriegsdienstverweigerern
in Unna, Iserlohn und Bonn ebenso registriert wie Veranstaltungen zum Vietnam-Krieg
oder eine "Chile-Sammelwoche in der Bielefelder Innenstadt. "Eine selbstgenähte
Fahne", referiert der Bericht, "brachte 60,- DM ein."
Doch schon damals begnügten sich die PSV-Beobachter nicht damit,
jede Regung von K-Gruppen auf die Hardthöhe zu melden. Detailliert
listeten sie Hochschulwahlen und GEW-Demonstrationen auf. Penibel wurden
auch "wehrkritische und wehrfeindliche Veröffentlichungen im Medienbereich"
aufgezählt, darunter eine komplette Sendereihe im dritten Fernsehprogramm
des WDR.
Noch heute sammeln PSV-Offiziere mit ungebrochenem Eifer Informationen
über Veranstaltungen, Flugblätter und Artikel, durch die sich
die Bundeswehr in irgendeiner Weise berührt wird. Besonders fleißige
Berichter abonnieren die einschlägigen Zeitungen unter ihrer Privatadresse.
Der Militärische Abschirmdienst(MAD) und seine Gruppen steuern ihre
Qurtalsberichte bei. Halbjährlich destilliert die Abteilung I 6 im
Streitkräfteamt daraus einen Bericht über "Bestrebungen gegen
den Verteidigungsauftrag der Streitkräfte" (Auflage: 650 Stück).
Als Herausgeber fungiert der Führungsstab I 9, Lenkungsorgan der PSV
im Verteidigungsministerium.
Im neusten Werk wird einmal mehr der Versuch gemacht, durch gehäufte
Nennung von aktiven DKP-Mitgliedern den Nachweis zu führen, die Friedensbewegung
- von der PSV stets in Anführungsstrichen geschrieben - sei kommunistisch
gesteuert. Aber auch Christen, Grüne und Wissenschaftler, Tieffluggegner
und Weltbank-Kritiker sind in die "kontinuierliche Lagefeststellung und
-beurteilung" eingegangen.
Anfang des Jahres stießen Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für
den Datenschutz bei einem Prüfbesuch im Streitkräfteamt, Arbeitsbereich
"Psychologische Verteidigung West" auf allerlei Dateien über Gruppen
und Personen, die ihnen bis dahin völlig unbekannt waren. Schon "bei
flüchtiger Durchsicht" tauchten auch Namen von Sozialdemokraten wie
Hertha Däubler- Gmelin, Egon Bahr oder Freimut Duve auf. In
einem speziellen Ordner waren für die PSV besonders wichtige Stammkunden
abgelegt, etwa die Grünen Petra Kelly und Alfred Mechtersheimer, Bonhoeffer,
der Theologe Hans Küng, der Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker,
die Schriftstellerin Christa Wolf.
Die Spezialakte, so ermittelten die Datenschützer, enthielt allerlei
Daten, die "in keinerlei Beziehung zum Verteidigungsauftrag stehen" - etwa
die Notiz "alleinerziehende Mutter". Eine Kartei mit Daten über Rechtsextremisten
dagegen, bemerkten die Prüfer, "wurde seit ca. acht Jahren nicht mehr
fortgeführt".
Das Resumee im Mitte April abgeschlossenen Prüfbericht fiel denn
auch wenig schmeichelhaft aus. Die Schnitzeljagd im Streitkräfteamt,
bilanzierte Bundesdatenschützer Alfred Einwag, verstoße gleich
mehrfach gegen das Datenschutzgesetz. Die Dateien hatten keine gesetzliche
Grundlage und keine "Datenpflege- und Löschungsregelungen". Sie waren
nicht in der Dateienübersicht des Ministeriums registriert, zudem
nach Einwags Urteil für die Arbeit des Amtes auch "nicht erforderlich".
Der Prüfer rügte die unklare Abgrenzung zur Arbeit des MAD und
empfahl den Militärs in ungewohnter Schärfe, "auf eine Verarbeitung
personenbezogener Daten - soweit irgend möglich - ganz zu verzichten".
Dem Rat wird die Hardthöhe kaum folgen. Auch bundeswehrinterne
Kritik an der geheimdienstlichen Attitüde der Psychoverteidiger wurde
ruppig abgebügelt.
Schon im Sommer letzten Jahres hatte der Chef des Amtes für Studien
und Übungen der Bundeswehr, Flotillenadmiral Elmar Schmähling,
beim Ministerium schriftlich gegen PSV- Aktivitäten protestiert. Mit
der Erfassung sogenannter "Aktivitäten gegen die Bundeswehr", meist
nur "die Wahrnehmung von Grundrechten unbescholtener Bürger", so der
Admiral, setze das Militär "unnötig der Gefahr aus, politisch
mißbraucht zu werden". Solche Auflistungen, ärgerte sich Schmähling,
erzeugten zudem oft "ein völlig schiefes Bild".
Aus Bonn kam die Antwort: "Die Bundeswehr darf bei der öffentlichen
Diskussion nicht schweigen". Der aufsässige Schmähling hakte
noch einmal nach und bat Verteidigungsminister Rupert Scholz, diese Praxis,
schon mit Blick auf das "Ansehen der Bundeswehr", schnellstens "abstellen
zu lassen".
Für Scholz antwortete, nach über zwei Monaten Generalmajor
Y Schnell. Der legte klar, daß selbst Bürger, die sich über
Tiefflugbelästigungen beschwerten, ein potentielles Sicherheitsrisiko
darstellten, weil schließlich "jede Bestrebung, Einfluß auf
die Ausgestaltung der militärischen Ausbildung zu nehmen, eine sicherheits-
und verteidigungspolitische Komponente" besäße. Die Bundeswehr
dürfe sich nicht hindern lassen, so Schnell, "darzustellen, welche
Gruppierungen mit welchen Mitteln möglicherweise negative Einflüsse
auf die bewaffnete Sicherung des Friedens haben".
Dahinter wird jene Grundhaltung sichtbar, auf die sich Landesverteidiger
im Zweifel zurückziehen: Gut ist, was der Trüppe nützt.
So verlagert sich die auch die Aktivitäten der PSV, einst als Instrument
des kalten Krieges gen Osten gerichtet, immer mehr ins Landesinnere.
Schon 1957 wurde im Strauß- Ministerium beim Führungsstab
ein Referat für psychologische Kampfführung angesiedelt. Zu einer
Zeit, als die politische Führung tagtäglich die kommunistische
Invasion hereinbrechen sah, als im Verteidigungsministerium Listen über
kommunistisch Infiltrierte kursierten, war es dem Militär ein dringendes
Anliegen, sich eine Waffe unterhalb der Schwelle direkter physischer Gewaltanwendung
zu schaffen.
Unter äußerster Geheinhaltung bezog 1959 die Radio-Kompanie
993 in einem Hotel im Luftkurort Rengsdorf/Westerwald den ersten PSV- Posten,
um gegen Feindpropaganda aus der DDR anzufunken.
Das westliche Sendungsbewußtsein weitete sich schnell aus. Bald
erhoben sich entlang der Grenze zigarrenförmige Plastikballons, um,
von den vorherrschenden Westwinden über die Grenzbefestigungen getragen,
Flugblätter und Zeitungen über DDR- Gebiet auszuklinken. "Solche
Gasballons", klagten DDR-Publikationen, "explodierten schon mit Stichflammen
in der Touristenstadt Quedlinburg oder im Gelände der Technischen
Messe Leipzig nieder".
Getarnt als "Mitteldeutsche Arbeiterzeitung" oder als "Presse- Runschau
für die bewaffneten Organe" wurde grobschlächtige West-Werbung
auf Volksarmisten wie Zivilisten abgeworfen - bis 1965 rund 100 Millionen
Flugschriften. "Arbeit, Lohn und Freizeit" verhießen die Botschaften
der Psychologischen Kriegsführung, Autos und Konsum in Fülle:
"Äußerst schlecht zu parken hier."
Der skurrile Papierkrieg lag im Trend. Auch die CDU und das "Ostbüro"
der SPD ließen Text nach drüben aufsteigen, selbst die Zeugen
klemmten ihre Heilsbotschaft an Luftballons. In der Gegenrichtung plärrten
Lautspecherwagen über den Zaun, zur Hebung der Aufmerksamkeit für
ihre nach Westen geschleusten Soldatenzeitungen schreckten die prüden
Einheitssozialisten selbst vor Pin-Up- Girls nicht zurück.
Als Einflüsterer agierte im Verteidigungsministerium Ende der 50er
Jahre Strauß-Berater Eberhard Taubert, der seine Karriere in Goebbels
Propagandaministerium, zuständig für "Aktivpropaganda gegen die
Juden", begann. Taubert, Autor des 1940 produzierten Films "Der ewige Jude",
eines der finstersten Propaganda- Machwerke im Dritten Reich, später
Beisitzer in Freisslers Volksgerichtshof und Propagandachef des "Generalreferats
Ostraum", hatte zuvor im Gesamtdeutschen Ministerium gewirkt. "Taubert
ist ein Mann, den wir brauchen", beschied ein Ministerialer 1955 auf Anfrage,
"Taubert hat Erfahrungen."
Der Vizevorsitzende im "Volksbund für Frieden und Freiheit", einer
aus Bonner Geheimfonds finanzierten "Sammlungsbewegung zur Abwehr des Bolschewismus",
blieb Strauß über die Beratung beim Aufbau der Psychologischen
Kriegführung hinaus verbunden. Noch 1972 organisierte er mit alten
Kameraden Anzeigenkampagnen gegen die sozialliberale Regierungskoalition.
Die dunkle Vorgeschichte der psychologischen Kriegsführung gilt
dem Ministerium heute als Störfaktor ersten Ranges. PSV operiere nur
mit der Wahrheit, so die offizielle Diktion. "Einen Zuammenhang zwischen
der NS- Propaganda und der PSV herzustellen, ist abwegig", erklärte
der Hardthöhen- Staatssekretär Willy Wimmer Mitte April auf Anfrage
des Grünen-Abgeordneten Alfred Mechtersheimer. "Experten der Hardthöhe"
verbreiteten in der "Welt" sogar, Taubert habe "niemals Verbindungen zu
dem Bereich der psychologischen Verteidigung der Bundeswehr gehabt".
Das ist nachweislich falsch. Auch nach seinem Engagement im Strauß-
Ministerium hatte Taubert einen Draht zur PSV. Ortwin Buchbender, ziviler
PSV-Chef im Verteidigungsministerium, dankt in der Einführung zu seinem
1978 im Seewald-Verlag erschienenen Buch "Das tönende Erz - Deutsche
Propaganda gegen die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg" auch Eberhard Taubert
für seine "Hilfsbereitschaft".
Ein anderer PSV-Aktivist, Kurt Klein, Leitender Wissenschaftlicher Direktor
an der Waldbröhler Akademie, empörte sich 1980, Taubert war schon
tot, in einem Brief an den SPIEGEL über einen Artikel zur Stauß-Taubert-Verbindung.
"Zur Ergänzung des schillernden Persönlichkeitsbildes" erklärte
Klein: "Dr. Taubert war an erster Stelle leidenschaftlicher Antikommunist",
erst "von hier aus fand er zum Nationalsozialismus und Antisemitismus."
Ausgerechnet Taubert, für die Benutzung von Decknamen berüchtigt,
habe, so Klein, "nie einen Hehl aus seiner Vergangenheit" gemacht und ihm,
Klein, sogar vertraulich eröffnet, "er sei Mitglied der SPD, kenne
und schätze Herbert Wehner und fühle sich der Partei loyal verbunden".
Der heftige Psycho-Kampf an der deutsch-deutschen Grenze endete erst
1972, als die Bundesrepublik und die DDR mit dem Grundlagenvertrag ihre
Beziehungen zu normalisieren begannen. Das PSV-Bataillon in Andernach,
noch heute mit allem Gerät für den sofortigen Flugblatteinsatz
gerüstet, muß sich seither meist mit Trockenübungen bescheiden.
Ein Interview mit Johannes Mario Simmel dient Neulingen im Andernacher
Studio wegen der vielen Versprecher als Schneideübung.
Nur deutsche Soldaten in den USA und Kanada werden von "Radio Andernach"
allwöchentlich mit "herzlichen Grüssen von daheim" versorgt.
Zu Weihnachten spricht der Kanzler oder der Präsident ein Grußwort,
Interviews mit Popstars und Fußballern sorgen für Entspannung
am fernen Einsatzort.
Erst 1987, unter CDU- Verteidigungsminister Manfred Wörner, durften
die "Redaktionssoldaten" erstmals wieder öffentlich funken: Auf einem
Mittelwellen-Sender des Bayrischen Rundfunks strahlten Andernacher PSV-Kämpfer
zum Manöver "Kecker Spatz" Bundeswehr-Programm an Soldaten und interessiertes
Volk ab. Das würde der Andernacher Kommandeur Bernhard Ickenroth klünftig
"gerne öfter machen".
Auf fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung schätzt Oberst
im Generalstab Horst Matzeit, Ende März als Chef der Psycho-Akademie
pensioniert, den "harten Kern" der Bundeswehr-Kritiker. Weitere 20 Prozent
sortiert er unter "indifferent". Da kann es der Oberst auch nicht
verwerflich finden, daß die Spezialtruppe, einst vor allem zur Antipropaganda
gen Osten aufgestellt, heute, so Matzeit, "zu zwei Dritteln im Innern"
tätig ist. Die Problemlage heute: "Wie bringe ich die Wachsamkeit
an den Mann?"
Die Umbenennung zur "Akademie", räumt Matzeit offen ein, habe stattgefunden,
um mehr Professoren, Lehrer und Journalisten anzulocken - "Meinungsmultiplikatoren",
denen die PSV laut Dienstvorschrift "Beratung und Unterstützung" angedeihen
lassen soll, sofern sie "negative Einstellungen zur Verteidigungsbereitschaft"
abzubauen trachten.
Auch Kritker, meint Matzeit, seien "im Vatikan der PSV" gern gesehen,
schließlich hülfen sie dabei, die ständig neu zu findenden
"Verkaufsargumente" für Bundeswehr und NATO zu schärfen: "Ohne
zivile Verankerung sind wir nichts." Bedauerlich nur, sagt der Oberst beim
Kaffee, "daß in den 70er Jahren jeder Lehrer werden konnte": "Ich
kann mich nicht vom Staat bezahlen lassen und gegen ihn opponieren."
Schade für den Oberst auch, daß der Staat mit seinen psychologischen
Verteidigern in seinen Augen vergleichsweise knausrig umspringt. Eigentlich
müßte die Akademie in jedem Bundesland "flächendeckend"
arbeiten. Es gäbe so viel zu tun, neue Zielgruppen "durch Information"
zu erschließen.
"An die Mütter und Bräute" etwa, findet der Oberst, hätten
die Streitkräfte "viel mehr denken müssen". Dieser oft skeptischen
Gruppierung müßte sich die PSV "vertrauensbildend nähern".
Ein paar "schöne Informationsnachmittage auf Staatskosten in guten
Hotels", träumt der Oberst, könnten Wunder für das Image
der Bundeswehr bewirken: "Das wäre eine neue Zielgruppe, an die wir
ranmüßten."
"Die Studiengesellschaft", meint Ortwin Buchbender, ziviler Chef im
Führungs-stab I9 auf der Bonnen Hardthöhe, soll "für den
Verteidgungsauftrag der Bundeswehr Interesse und Sympathie wecken".
Vorsitzender des obskuren Geheimclubs, der in einer Villa in der Bonner
Ubierstraße 88 residiert, ist der Reutlinger Politik-Professor Klaus
Hornung, 62. Der rechtskonservative Publizist, unermüdlicher
Streiter für eine "nationale und patriotische Perspektive", eines
seiner erste Werke zum Thema "Soldat und Staat" schon 1956 beisteuerte,
trommelt in "Bayernkurier", "Welt" und "Rheinischem Merkur", aber auch
in der Rechten- Postille "Criticon", seit vielen Jahren gegen die "hysterische
Atomkriegsfurcht" der Friedensbewegten, länger schon gegen entspannungsbestrebte
Ostpolitiker. Gern zitiert Hornung einen Satz des Altliberalen Friedrich
Naumann: "Was nützt alle Sozialpolitik, wenn die Kosaken kommen?"
Hornung, mit seinen Werken früher meist Kunde des CDU-nahen Sinus-
Verlags, veröffentlichte sein vorerst letztes Werk "Wohlfahrtsdemokratie
und Sicherheit" 1986 im MUT-Verlag, Asendorf, in jenem Verlag, der auch
die bis 198x im Verfassungsschutzbericht als rechtsradikal eingestufte
Zeitschrift "Mut" herausgibt. Das Blatt, von Kennern der rechten Szene
als bedeutendstes Organ der neuen Rechten eingestuft, führt den Professor
als "ständigen Mitarbeiter" im Impressum.
Längst sind Blätter wie "Mut" durch geschickte Verlagspolitik
aus der ultrrechten Ecke herausgetreten. Prominente Autoren helfen, das
Renomee rechter Gesinnung zu steigern. In der Febraur-Ausgabe des Blattes
warnte etwa der zu diesem Zeitpunkt noch amtierende Verteidigungsminister
Rupert Scholz mit einem Aufsatz ("Frieden braucht Freiheit") vor durch
Gorbatschow ausgelöster "Entspannungseuphorie": "Solange die deutsche
Frage ungelöst ist", verkündete der Monister, "so lange wird
es keine stabile politische Entspannung in Europa geben können."
Hornungs Vorgänger und jetziger Stellvertreter im Vorstand der
Studiengesellschaft, Günther Wagenlehner, 65, dem Club seit Ende der
60er Jahre verbunden (seit 69 Leiter), hat fleißig für den Niedergang
des Kommunismus gestritten. Der im März letzten Jahres pensionierte
PSV-Chef im Bonner Verteidigungsministerium, seit 1988 Generalsekretär
einer "Vereinigung europäischer Journalisten", ...
Sein Buch "Die deutsche Frage" hat in rechtsradikalen Kreisen sogar
solchen Gefallen gefunden, daß es beim rechtsradikalen "Buchdienst
Nation Europa" inmitten einer satliche Reihe national gesinnter Großsprecher
wie Diwald, Frey (!), Willms u.a. im Versandkatalog steht.
Der Politikwissenschaftler Wagenlehner trat 1987 in Gerhard Löwenthals
"ZDF- Magazin" auf, um das just beendete internationale Gorbi-Friedensforum
in Moskau als "Teil einer Propagandakampagne (war) im Rahmen des ideologischen
Kampfes" einzuordnen. Im gleichen Jahr erschien sein Buch "Abschied vom
Kommunismus - Der Niedergang der kommunistischen Idee von Marx bis Gorbatschow".
Sein "eingentlicher" Geburtstag, verkündet Wagenlehner, sei der 9.Oktober
1955 - der Tag seiner Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft.
Die "Studiengesellschaft" von Wagenlehner und Hornung hat nach Angaben
des Schriftführers Buchbender von der Hardthöhe derzeit 32 Mitglieder.
Mit Steuergeldern aus dem Etat xxxx des Bundesverteidigungsministeriums
finanzieren die Studiengesellschafter Bücher, Filme, Seminare und
Veranstaltungen. Eine Datei mit angekauften Adressen von Lehrern und anderen
Multiplikatoren soll helfen, ihre Produkte möglichst effektiv zu streuen.
Seit 1961 bezieht der Verein, gegründet vom Ypsilon-Oberst Ypsilon
Trentzsch und dem CDU-Abgeordneten Werner Marx, nach Auskunft von Buchbender
mit schöner Regelmäßigkeit rund eine Million Mark aus der
Kasse des Verteidigungsministerius. Gber und Nehmer sind oft identisch:
Der derzeitige PSV-Chef auf der Hardthöhe, Oberst im Gernalstab Günter
Hoffmann (siehe Interview Seite XX) ist ebenso Mitglied wie Oberst Ypsilon
Vollert, einer seiner Vorgänger.
Auch der frühere PSV-Vize-Chef Ypsilon Hubatschek, derzeit Chefredakteur
des ebenfalls aus dem PSV-Etat mitfianzierten "IAP-Dienstes", ein. Neben
Militärs sind besondere geheimnisumwitterte Figuren mit von der Partie.
"Seit anno Tobak", so ein Vereinskamerad, etwa der Journalist Helmut Bärwald
alias Helmut Fränzel, bis Anfang 1971 Chef der Ost-Abteilung der SPD.
Der Genosse schied aus, weil er der Partei wegen der Ostverträge zürnte.
"Genossen", bekannte Bärwald kurz darauf in "Quick", "ich kann nicht
länger schweigen". Führende Sozialdemokraten mutmaßten
später, Bärwald habe aus der Parteizentrale an den Bundesnachrichtendienst
berichtet.
Der zur Christenunion konvertierte Agitator kam schließlich beim
CDU- Abgeordneten und PSV-Förderer Werner Marx unter. Der "ausgezeichnete
Kenner kommunistischer Infiltration und Subversion" ("Die Welt") schreibt
noch immer vehement gegen alles Linke an. Im Auftrag des Verlegers Rolf
Osang schrieb er, der 1983 im Auftrag des verteidigungsministerium publizistisch
für die Stationierung neuer Atomraketen trommelte, schrieb Bärwald
die Kampfschrift "Mißbrauchte Friedenssehnsucht" - das Bundesinnenministerium
zahlte ihm 12000 Mark Honorar. Obendrein gabs noch eine stattliche Summe
vom Verlag, weil das Ministerium fast die gesamte Auflage von Bärwalds
Buch aufkaufte. Der Parlamentarische Staatssekretär Carl- Diieter
Spranger (CSU) hatte den Kommunisterfresser zuvor drei Jahre in seinem
Abgeordnetenbüro als wissenschaftlichen Mitarbeiter beschäftigt.
©
Schimmeck |