"Blauland will Frieden"

Mit obskuren Methoden versucht die Bundeswehr,
Freund und Feind ihren Auftrag nahezubringen

1988 
von Tom Schimmeck 

Da sind jemandem die Worte ausgegangen: Er befinde sich "in einer Sackgasse", klagt der uniformierte Seminarteilnehmer, "draußen in der Truppe" könne er "nicht so argumentieren". 

"Ich meine, daß die Bevölkerung sich etwas blenden läßt von den guten Worten des Herrn Gorbatschow", fürchtet ein anderer - "und auch die Politiker", ergänzt sein Nachbar. "Für mich", resümiert ein Vierter verzweifelt kategorisch, "besteht die Bedrohung aus dem Osten nach wie vor." Die verkörpere, sagt er schlicht, "der Russe". 

Der Seminarleiter, Offizier wie die Zuhörer, steuert mit kräftiger Stimme einen "kameradschaftlichen Tip" bei: Mit markigen Drohungen vor der Gefahr des "Weltkommunismus holen wir heute keinen mehr hinterm Ofen vor", rät er, "da müssen wir etwas vorsichtig sein". 

Die ratlose Runde, die sich über den Sinnschwund der Streitkräfte den Kopf zerbricht, tagt in einem nüchtern möblierten Seminarraum der Bundeswehr- "Akademie für psychologische Verteidigung" - Amtssitz: Das Kleinstädtchen Waldbröhl im Bergischen Land. 

Der Bau in Hanglage ist von herausragender Häßlichkeit. Eine überdimensionierte Freitreppe, schmale, hochaufragende Fenster wie überdimensionierte Schießscharten - ddas Monstrum wurde einst von den Nazis erbaut, um Kraft durch Freude abzustrahlen. 

In der Eingangshalle ist der Versuch mißlungen, die Optik des Dritten Reiches zu entschärfen. Riesenmosaike prangen an den Wänden, hier blond- fleißiges Landvolk, dort ein kraftstrotzender Jüngling, aus dessen Hand ein Falke aufsteigt, dazwischen - man hat sich immerhin bemüht -Astrid Lingrens Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels: "Nie wieder Gewalt". 

Die eigentümliche Schulungsstätte, eine, wie Akademieplaner Oberstleutnant Paul Schulz beteuert, "ganz normale Truppengattung des Heeres", rüstet rund 1500 Militärs pro Jahr für das immer schwierigere Geschäft des Umgangs mit Untergebenen und Bevölkerung. Auch interessierte Lehrer, Pastoren und Journalisten werden, so sie für die Truppe in die Bresche zu springen bereit sind, gern geschult. 

Soldaten vom Kompaniefeldwebel an aufwärts etwa lernen im Lehrgang "Argumentation und Gesprächsführung", das Banner der Streitkräfte auf Veranstaltungen wie im privaten Kreis "auftragsgerecht" (Schulz) hochzuhalten.  Offiziere werden in kleineren Gruppen ("Psychologische Verteidigung als Führungsaufgabe") auch für härtere Schlachten präpariert: Diskussionen in Schulklassen und auf dem Podium größerer Säle. 

Jugendoffiziere, an Schulen eingesetzt, um bei jungen Leuten das angeschlagene Ansehen der Streitkräfte zu mehren, werden auf der Waldbröhler Anhöhe darauf trainiert, auch im Streß wehrkraftfördernde Worte zu finden. Drei Videokameras filmen die uniformierten Botschafter beim Üben. Selbst die richtige Körperhaltung will gelernt sein: Ein Repräsentant der Bundeswehr steckt die Hände nicht in die Hosentaschen, fletzt sich auf keinem Stuhl. 

"Der Gorbi-Effekt", das räumen Psycho-Dozenten in Waldbröhl offen ein, wirkt nicht eben belebend auf Kampfesmut und Argumentationskraft der Uniformträger.  Auch das hilflose NATO- Gebrummel zu den Vorschlägen aus Moskau liefert den Psycho-Verteidigern und ihrer Kundschaft wenig Munition für selbstbewußte Rhetorik. 

Schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr steht das bundesdeutsche Militär in Volkes Ansehen da. Umfragen belegen: Atomare Abschreckung ist out, aber gut zwei Drittel wollen auch in konventionelles Geschütz nicht noch mehr Geld stecken. Bei einer Emnid- Umfrage im vergangenen Herbst, Auftraggeber: das Bundesverteidigungsministerium, landete die politische Aufgabe "Schutz der Bundesrepublik gegen äußere Bedrohung" auf dem letztmöglichen Platz. Angst vorm übermächtigen Osten, seit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik anno 195x sinnstiftend fürs Militär, scheint sich ersatzlos zu verflüchtigen. 

Da sehen sich jene wieder gefordert, die schon bei Gründung der Bundeswehr, auf dem Höhepunkt des kalten Krieges, auf Geheiß des Verteidgungsministers Franz Josef Strauß die neue Armee gegen Widerworte innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen abzuschirmen hatten. Die Psychologische Verteidigung, auf der Hardthöhe kurz PSV genannt, muß ins Gefecht. 

Seit dem Wiederaufkommen der Friedensbewegung Anfang der 80er Jahre sind PSV-Experten verstärkt im Einsatz, um Zweifel im Volk, aber auch bei den eigenen Soldaten einzudämmen.  PSV- Offizier Schulz, zuvor Kommandeur in Braunschweig, erinnert sich an eine Situation, die im PSV-Sprachgebrauch nach dem alten Wehrmachtsschlager "Lage Lilli Marleen" ("Vor der Kaserne...") genannt wird. 

Blitzschnell ließ Schulz beim Anrücken von Friedensdemonstranten einmal Handzettel als Gegengift an die Soldaten verteilen. Am Tor der Militäranlage wurde auf Geheiß des Kommandeurs eine Mülltonne für die Flugblätter der Blockierer aufstellen, "damit der Dreck nicht in der Kaserne rumfliegt". 

Die vertrauliche Dienstvorschrift "ZDv 1/200 VS-NfD Psychologische Verteidigung", im November 1983 nach jahrelanger Vorarbeit erlassen, erfaßt nicht nur den "Feind", sondern auch die zu schützende Bevölkerung mit skeptischem Auge. PSV-Stabsoffiziere in Korps, Wehrbereichs- und Territorialkommando sollen auch "im Frieden" alle "Erkenntnisse über Motive von Gruppen, die dem Wehrdienst indifferent" oder gar "feindlich gegenüberstehen", auswerten. 

"Im Frieden wie im Krieg", so will es die Vorschrift, soll PSV die psychologischen "Wechselwirkungen" zwischen "den Streitkräften, der Bevölkerung und den Kräften des Gegners" tatkräftig beeinflussen. Ziel: "erwünschte Wirkungen zu erreichen oder zu verstärken, unerwünschte aber auszuschalten oder einzuschränken". Denn "das Verhalten der Bevölkerung in Krisen und im Krieg", Schreckensvision der Hardthöhe, "kann den militärischen Erfordernissen zuwiderlaufen und den Dienst der Truppe stören". 

Da gilt es zeitig vorzubauen. Seit Jahrzehnten liefert das PSV-Netz an die Akademie und die vorgesetzte Hardthöhe detaillierte Berichte zur "psychologischen Lage". Minutiös wird über Infotische und Flugblätter Monate Buch geführt, auch mal über eine Kreisdelegiertenkonferenz der DKP, wo wohl, so die Diktion der Dienstanweisung, "offene Aktionen extremistischer Gruppen gegen Verteidigungsbereitschaft und Bundeswehr" erörtert wurden. Zuweilen zeigen die Soldaten-Reporter dabei unfreiwillige Komik: "Die psychologische Lage", resümiert der Düsseldorfer PSV-Beauftragte in seinem Januar-Report, "war im Berichtszeitraum im Wehrbereich III stabil." 

"Wir müssen auf die aktuelle Argumentation reagieren", lautet die offizielle Begründung für das exzessive PSV-Berichtswesen. Doch die Produkte muten eher wie das Werk eines dilettantischen, aber akribisch werkelnden Spezialnachrichtendienstes an. Es wird nicht argumentiert, sondern aufgelistet. 

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit sammelt die Bundeswehr, abseits der bekannten Geheimdienste, durch die Psycho-Verteidiger Informationen über alle möglichen ihr verdächtig erscheinenden Umtriebe im Lande. Seit langem schon: Die "PSV- Information" des Wehrbereichkommandos III in Düsseldorf für den Januar 1974, ohne Anlagen schon 64 Seiten stark, zeigt, das auch unter sozialliberalen Verteidigungsministern die zur Beobachtung ausgeschriebenen Aktivitäten größzügigst ausgelegt wurden. 

In dem Bericht, symptomatisch für den seit Jahrzehnten ungebrochenen Sammeleifer, wird die Verteilung der Betriebszeitung "Roter Hobel" vor einer Dortmunder Zeche ebenso vermerkt wie der Verkauf des "Roten Morgen" in der Münsteraner Innenstadt; Beratung von Kriegsdienstverweigerern in Unna, Iserlohn und Bonn ebenso registriert wie Veranstaltungen zum Vietnam-Krieg oder eine "Chile-Sammelwoche in der Bielefelder Innenstadt. "Eine selbstgenähte Fahne", referiert der Bericht, "brachte 60,- DM ein." 

Doch schon damals begnügten sich die PSV-Beobachter nicht damit, jede Regung von K-Gruppen auf die Hardthöhe zu melden. Detailliert listeten sie Hochschulwahlen und GEW-Demonstrationen auf. Penibel wurden auch "wehrkritische und wehrfeindliche Veröffentlichungen im Medienbereich" aufgezählt, darunter eine komplette Sendereihe im dritten Fernsehprogramm des WDR. 

Noch heute sammeln PSV-Offiziere mit ungebrochenem Eifer Informationen über Veranstaltungen, Flugblätter und Artikel, durch die sich die Bundeswehr in irgendeiner Weise berührt wird. Besonders fleißige Berichter abonnieren die einschlägigen Zeitungen unter ihrer Privatadresse. Der Militärische Abschirmdienst(MAD) und seine Gruppen steuern ihre Qurtalsberichte bei. Halbjährlich destilliert die Abteilung I 6 im Streitkräfteamt daraus einen Bericht über "Bestrebungen gegen den Verteidigungsauftrag der Streitkräfte" (Auflage: 650 Stück). Als Herausgeber fungiert der Führungsstab I 9, Lenkungsorgan der PSV im Verteidigungsministerium. 

Im neusten Werk wird einmal mehr der Versuch gemacht, durch gehäufte Nennung von aktiven DKP-Mitgliedern den Nachweis zu führen, die Friedensbewegung - von der PSV stets in Anführungsstrichen geschrieben - sei kommunistisch gesteuert. Aber auch Christen, Grüne und Wissenschaftler, Tieffluggegner und Weltbank-Kritiker sind in die "kontinuierliche Lagefeststellung und -beurteilung" eingegangen. 

Anfang des Jahres stießen Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für den Datenschutz bei einem Prüfbesuch im Streitkräfteamt, Arbeitsbereich "Psychologische Verteidigung West" auf allerlei Dateien über Gruppen und Personen, die ihnen bis dahin völlig unbekannt waren. Schon "bei flüchtiger Durchsicht" tauchten auch Namen von Sozialdemokraten wie Hertha Däubler- Gmelin, Egon Bahr oder Freimut Duve auf.  In einem speziellen Ordner waren für die PSV besonders wichtige Stammkunden abgelegt, etwa die Grünen Petra Kelly und Alfred Mechtersheimer, Bonhoeffer, der Theologe Hans Küng, der Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker, die Schriftstellerin Christa Wolf. 

Die Spezialakte, so ermittelten die Datenschützer, enthielt allerlei Daten, die "in keinerlei Beziehung zum Verteidigungsauftrag stehen" - etwa die Notiz "alleinerziehende Mutter". Eine Kartei mit Daten über Rechtsextremisten dagegen, bemerkten die Prüfer, "wurde seit ca. acht Jahren nicht mehr fortgeführt". 

Das Resumee im Mitte April abgeschlossenen Prüfbericht fiel denn auch wenig schmeichelhaft aus. Die Schnitzeljagd im Streitkräfteamt, bilanzierte Bundesdatenschützer Alfred Einwag, verstoße gleich mehrfach gegen das Datenschutzgesetz. Die Dateien hatten keine gesetzliche Grundlage und keine "Datenpflege- und Löschungsregelungen". Sie waren nicht in der Dateienübersicht des Ministeriums registriert, zudem nach Einwags Urteil für die Arbeit des Amtes auch "nicht erforderlich".  Der Prüfer rügte die unklare Abgrenzung zur Arbeit des MAD und empfahl den Militärs in ungewohnter Schärfe, "auf eine Verarbeitung personenbezogener Daten - soweit irgend möglich - ganz zu verzichten". 

Dem Rat wird die Hardthöhe kaum folgen. Auch bundeswehrinterne Kritik an der geheimdienstlichen Attitüde der Psychoverteidiger wurde ruppig abgebügelt. 

Schon im Sommer letzten Jahres hatte der Chef des Amtes für Studien und Übungen der Bundeswehr, Flotillenadmiral Elmar Schmähling, beim Ministerium schriftlich gegen PSV- Aktivitäten protestiert. Mit der Erfassung sogenannter "Aktivitäten gegen die Bundeswehr", meist nur "die Wahrnehmung von Grundrechten unbescholtener Bürger", so der Admiral, setze das Militär "unnötig der Gefahr aus, politisch mißbraucht zu werden". Solche Auflistungen, ärgerte sich Schmähling, erzeugten zudem oft "ein völlig schiefes Bild". 

Aus Bonn kam die Antwort: "Die Bundeswehr darf bei der öffentlichen Diskussion nicht schweigen". Der aufsässige Schmähling hakte noch einmal nach und bat Verteidigungsminister Rupert Scholz, diese Praxis, schon mit Blick auf das "Ansehen der Bundeswehr", schnellstens "abstellen zu lassen". 

Für Scholz antwortete, nach über zwei Monaten Generalmajor Y Schnell. Der legte klar, daß selbst Bürger, die sich über Tiefflugbelästigungen beschwerten, ein potentielles Sicherheitsrisiko darstellten, weil schließlich "jede Bestrebung, Einfluß auf die Ausgestaltung der militärischen Ausbildung zu nehmen, eine sicherheits- und verteidigungspolitische Komponente" besäße. Die Bundeswehr dürfe sich nicht hindern lassen, so Schnell, "darzustellen, welche Gruppierungen mit welchen Mitteln möglicherweise negative Einflüsse auf die bewaffnete Sicherung des Friedens haben". 

Dahinter wird jene Grundhaltung sichtbar, auf die sich Landesverteidiger im Zweifel zurückziehen: Gut ist, was der Trüppe nützt. So verlagert sich die auch die Aktivitäten der PSV, einst als Instrument des kalten Krieges gen Osten gerichtet, immer mehr ins Landesinnere. 

Schon 1957 wurde im Strauß- Ministerium beim Führungsstab ein Referat für psychologische Kampfführung angesiedelt. Zu einer Zeit, als die politische Führung tagtäglich die kommunistische Invasion hereinbrechen sah, als im Verteidigungsministerium Listen über kommunistisch Infiltrierte kursierten, war es dem Militär ein dringendes Anliegen, sich eine Waffe unterhalb der Schwelle direkter physischer Gewaltanwendung zu schaffen. 

Unter äußerster Geheinhaltung bezog 1959 die Radio-Kompanie 993 in einem Hotel im Luftkurort Rengsdorf/Westerwald den ersten PSV- Posten, um gegen Feindpropaganda aus der DDR anzufunken. 

Das westliche Sendungsbewußtsein weitete sich schnell aus. Bald erhoben sich entlang der Grenze zigarrenförmige Plastikballons, um, von den vorherrschenden Westwinden über die Grenzbefestigungen getragen, Flugblätter und Zeitungen über DDR- Gebiet auszuklinken. "Solche Gasballons", klagten DDR-Publikationen, "explodierten schon mit Stichflammen in der Touristenstadt Quedlinburg oder im Gelände der Technischen Messe Leipzig nieder". 

Getarnt als "Mitteldeutsche Arbeiterzeitung" oder als "Presse- Runschau für die bewaffneten Organe" wurde grobschlächtige West-Werbung auf Volksarmisten wie Zivilisten abgeworfen - bis 1965 rund 100 Millionen Flugschriften.  "Arbeit, Lohn und Freizeit" verhießen die Botschaften der Psychologischen Kriegsführung, Autos und Konsum in Fülle: "Äußerst schlecht zu parken hier." 

Der skurrile Papierkrieg lag im Trend. Auch die CDU und das "Ostbüro" der SPD ließen Text nach drüben aufsteigen, selbst die Zeugen klemmten ihre Heilsbotschaft an Luftballons. In der Gegenrichtung plärrten Lautspecherwagen über den Zaun, zur Hebung der Aufmerksamkeit für ihre nach Westen geschleusten Soldatenzeitungen schreckten die prüden Einheitssozialisten selbst vor Pin-Up- Girls nicht zurück. 

Als Einflüsterer agierte im Verteidigungsministerium Ende der 50er Jahre Strauß-Berater Eberhard Taubert, der seine Karriere in Goebbels Propagandaministerium, zuständig für "Aktivpropaganda gegen die Juden", begann. Taubert, Autor des 1940 produzierten Films "Der ewige Jude", eines der finstersten Propaganda- Machwerke im Dritten Reich, später Beisitzer in Freisslers Volksgerichtshof und Propagandachef des "Generalreferats Ostraum", hatte zuvor im Gesamtdeutschen Ministerium gewirkt. "Taubert ist ein Mann, den wir brauchen", beschied ein Ministerialer 1955 auf Anfrage, "Taubert hat Erfahrungen." 

Der Vizevorsitzende im "Volksbund für Frieden und Freiheit", einer aus Bonner Geheimfonds finanzierten "Sammlungsbewegung zur Abwehr des Bolschewismus", blieb Strauß über die Beratung beim Aufbau der Psychologischen Kriegführung hinaus verbunden. Noch 1972 organisierte er mit alten Kameraden Anzeigenkampagnen gegen die sozialliberale Regierungskoalition. 

Die dunkle Vorgeschichte der psychologischen Kriegsführung gilt dem Ministerium heute als Störfaktor ersten Ranges. PSV operiere nur mit der Wahrheit, so die offizielle Diktion. "Einen Zuammenhang zwischen der NS- Propaganda und der PSV herzustellen, ist abwegig", erklärte der Hardthöhen- Staatssekretär Willy Wimmer Mitte April auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Alfred Mechtersheimer. "Experten der Hardthöhe" verbreiteten in der "Welt" sogar, Taubert habe "niemals Verbindungen zu dem Bereich der psychologischen Verteidigung der Bundeswehr gehabt". 

Das ist nachweislich falsch. Auch nach seinem Engagement im Strauß- Ministerium hatte Taubert einen Draht zur PSV. Ortwin Buchbender, ziviler PSV-Chef im Verteidigungsministerium, dankt in der Einführung zu seinem 1978 im Seewald-Verlag erschienenen Buch "Das tönende Erz - Deutsche Propaganda gegen die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg" auch Eberhard Taubert für seine "Hilfsbereitschaft". 

Ein anderer PSV-Aktivist, Kurt Klein, Leitender Wissenschaftlicher Direktor an der Waldbröhler Akademie, empörte sich 1980, Taubert war schon tot, in einem Brief an den SPIEGEL über einen Artikel zur Stauß-Taubert-Verbindung. "Zur Ergänzung des schillernden Persönlichkeitsbildes" erklärte Klein: "Dr. Taubert war an erster Stelle leidenschaftlicher Antikommunist", erst "von hier aus fand er zum Nationalsozialismus und Antisemitismus." Ausgerechnet Taubert, für die Benutzung von Decknamen berüchtigt, habe, so Klein, "nie einen Hehl aus seiner Vergangenheit" gemacht und ihm, Klein, sogar vertraulich eröffnet, "er sei Mitglied der SPD, kenne und schätze Herbert Wehner und fühle sich der Partei loyal verbunden". 

Der heftige Psycho-Kampf an der deutsch-deutschen Grenze endete erst 1972, als die Bundesrepublik und die DDR mit dem Grundlagenvertrag ihre Beziehungen zu normalisieren begannen. Das PSV-Bataillon in Andernach, noch heute mit allem Gerät für den sofortigen Flugblatteinsatz gerüstet, muß sich seither meist mit Trockenübungen bescheiden. Ein Interview mit Johannes Mario Simmel dient Neulingen im Andernacher Studio wegen der vielen Versprecher als Schneideübung. 

Nur deutsche Soldaten in den USA und Kanada werden von "Radio Andernach" allwöchentlich mit "herzlichen Grüssen von daheim" versorgt. Zu Weihnachten spricht der Kanzler oder der Präsident ein Grußwort, Interviews mit Popstars und Fußballern sorgen für Entspannung am fernen Einsatzort. 

Erst 1987, unter CDU- Verteidigungsminister Manfred Wörner, durften die "Redaktionssoldaten" erstmals wieder öffentlich funken: Auf einem Mittelwellen-Sender des Bayrischen Rundfunks strahlten Andernacher PSV-Kämpfer zum Manöver "Kecker Spatz" Bundeswehr-Programm an Soldaten und interessiertes Volk ab. Das würde der Andernacher Kommandeur Bernhard Ickenroth klünftig "gerne öfter machen". 

Auf fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung schätzt Oberst im Generalstab Horst Matzeit, Ende März als Chef der Psycho-Akademie pensioniert, den "harten Kern" der Bundeswehr-Kritiker. Weitere 20 Prozent sortiert er unter "indifferent".  Da kann es der Oberst auch nicht verwerflich finden, daß die Spezialtruppe, einst vor allem zur Antipropaganda gen Osten aufgestellt, heute, so Matzeit, "zu zwei Dritteln im Innern" tätig ist. Die Problemlage heute: "Wie bringe ich die Wachsamkeit an den Mann?" 

Die Umbenennung zur "Akademie", räumt Matzeit offen ein, habe stattgefunden, um mehr Professoren, Lehrer und Journalisten anzulocken - "Meinungsmultiplikatoren", denen die PSV laut Dienstvorschrift "Beratung und Unterstützung" angedeihen lassen soll, sofern sie "negative Einstellungen zur Verteidigungsbereitschaft" abzubauen trachten. 

Auch Kritker, meint Matzeit, seien "im Vatikan der PSV" gern gesehen, schließlich hülfen sie dabei, die ständig neu zu findenden "Verkaufsargumente" für Bundeswehr und NATO zu schärfen: "Ohne zivile Verankerung sind wir nichts." Bedauerlich nur, sagt der Oberst beim Kaffee, "daß in den 70er Jahren jeder Lehrer werden konnte": "Ich kann mich nicht vom Staat bezahlen lassen und gegen ihn opponieren." 

Schade für den Oberst auch, daß der Staat mit seinen psychologischen Verteidigern in seinen Augen vergleichsweise knausrig umspringt. Eigentlich müßte die Akademie in jedem Bundesland "flächendeckend" arbeiten. Es gäbe so viel zu tun, neue Zielgruppen "durch Information" zu erschließen. 

"An die Mütter und Bräute" etwa, findet der Oberst, hätten die Streitkräfte "viel mehr denken müssen". Dieser oft skeptischen Gruppierung müßte sich die PSV "vertrauensbildend nähern". Ein paar "schöne Informationsnachmittage auf Staatskosten in guten Hotels", träumt der Oberst, könnten Wunder für das Image der Bundeswehr bewirken: "Das wäre eine neue Zielgruppe, an die wir ranmüßten." 

"Die Studiengesellschaft", meint Ortwin Buchbender, ziviler Chef im Führungs-stab I9 auf der Bonnen Hardthöhe, soll "für den Verteidgungsauftrag der Bundeswehr Interesse und Sympathie wecken". 

Vorsitzender des obskuren Geheimclubs, der in einer Villa in der Bonner Ubierstraße 88 residiert, ist der Reutlinger Politik-Professor Klaus Hornung, 62.  Der rechtskonservative Publizist, unermüdlicher Streiter für eine "nationale und patriotische Perspektive", eines seiner erste Werke zum Thema "Soldat und Staat" schon 1956 beisteuerte, trommelt in "Bayernkurier", "Welt" und "Rheinischem Merkur", aber auch in der Rechten- Postille "Criticon", seit vielen Jahren gegen die "hysterische Atomkriegsfurcht" der Friedensbewegten, länger schon gegen entspannungsbestrebte Ostpolitiker. Gern zitiert Hornung einen Satz des Altliberalen Friedrich Naumann: "Was nützt alle Sozialpolitik, wenn die Kosaken kommen?" 

Hornung, mit seinen Werken früher meist Kunde des CDU-nahen Sinus- Verlags, veröffentlichte sein vorerst letztes Werk "Wohlfahrtsdemokratie und Sicherheit" 1986 im MUT-Verlag, Asendorf, in jenem Verlag, der auch die bis 198x im Verfassungsschutzbericht als rechtsradikal eingestufte Zeitschrift "Mut" herausgibt. Das Blatt, von Kennern der rechten Szene als bedeutendstes Organ der neuen Rechten eingestuft, führt den Professor als "ständigen Mitarbeiter" im Impressum. 

Längst sind Blätter wie "Mut" durch geschickte Verlagspolitik aus der ultrrechten Ecke herausgetreten. Prominente Autoren helfen, das Renomee rechter Gesinnung zu steigern. In der Febraur-Ausgabe des Blattes warnte etwa der zu diesem Zeitpunkt noch amtierende Verteidigungsminister Rupert Scholz mit einem Aufsatz ("Frieden braucht Freiheit") vor durch Gorbatschow ausgelöster "Entspannungseuphorie": "Solange die deutsche Frage ungelöst ist", verkündete der Monister, "so lange wird es keine stabile politische Entspannung in Europa geben können." 

Hornungs Vorgänger und jetziger Stellvertreter im Vorstand der Studiengesellschaft, Günther Wagenlehner, 65, dem Club seit Ende der 60er Jahre verbunden (seit 69 Leiter), hat fleißig für den Niedergang des Kommunismus gestritten. Der im März letzten Jahres pensionierte PSV-Chef im Bonner Verteidigungsministerium, seit 1988 Generalsekretär einer "Vereinigung europäischer Journalisten", ... 

Sein Buch "Die deutsche Frage" hat in rechtsradikalen Kreisen sogar solchen Gefallen gefunden, daß es beim rechtsradikalen "Buchdienst Nation Europa" inmitten einer satliche  Reihe national gesinnter Großsprecher wie Diwald, Frey (!), Willms u.a.  im Versandkatalog steht. 

Der Politikwissenschaftler Wagenlehner trat 1987 in Gerhard Löwenthals "ZDF- Magazin" auf, um das just beendete internationale Gorbi-Friedensforum in Moskau als "Teil einer Propagandakampagne (war) im Rahmen des ideologischen Kampfes" einzuordnen. Im gleichen Jahr erschien sein Buch "Abschied vom Kommunismus - Der Niedergang der kommunistischen Idee von Marx bis Gorbatschow". Sein "eingentlicher" Geburtstag, verkündet Wagenlehner, sei der 9.Oktober 1955 - der Tag seiner Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. 

Die "Studiengesellschaft" von Wagenlehner und Hornung hat nach Angaben des Schriftführers Buchbender von der Hardthöhe derzeit 32 Mitglieder. Mit Steuergeldern aus dem Etat xxxx des Bundesverteidigungsministeriums finanzieren die Studiengesellschafter Bücher, Filme, Seminare und Veranstaltungen. Eine Datei mit angekauften Adressen von Lehrern und anderen Multiplikatoren soll helfen, ihre Produkte möglichst effektiv zu streuen. 

Seit 1961 bezieht der Verein, gegründet vom Ypsilon-Oberst Ypsilon Trentzsch und dem CDU-Abgeordneten Werner Marx, nach Auskunft von Buchbender mit schöner Regelmäßigkeit rund eine Million Mark aus der Kasse des Verteidigungsministerius. Gber und Nehmer sind oft identisch: Der derzeitige PSV-Chef auf der Hardthöhe, Oberst im Gernalstab Günter Hoffmann (siehe Interview Seite XX) ist ebenso Mitglied wie Oberst Ypsilon Vollert, einer seiner Vorgänger. 

Auch der frühere PSV-Vize-Chef Ypsilon Hubatschek, derzeit Chefredakteur des ebenfalls aus dem PSV-Etat mitfianzierten "IAP-Dienstes", ein. Neben Militärs sind besondere geheimnisumwitterte Figuren mit von der Partie. "Seit anno Tobak", so ein Vereinskamerad, etwa der Journalist Helmut Bärwald alias Helmut Fränzel, bis Anfang 1971 Chef der Ost-Abteilung der SPD. Der Genosse schied aus, weil er der Partei wegen der Ostverträge zürnte. "Genossen", bekannte Bärwald kurz darauf in "Quick", "ich kann nicht länger schweigen". Führende Sozialdemokraten mutmaßten später, Bärwald habe aus der Parteizentrale an den Bundesnachrichtendienst berichtet. 

Der zur Christenunion konvertierte Agitator kam schließlich beim CDU- Abgeordneten und PSV-Förderer Werner Marx unter. Der "ausgezeichnete Kenner kommunistischer Infiltration und Subversion" ("Die Welt") schreibt noch immer vehement gegen alles Linke an. Im Auftrag des Verlegers Rolf Osang schrieb er, der 1983 im Auftrag des verteidigungsministerium publizistisch für die Stationierung neuer Atomraketen trommelte, schrieb Bärwald die Kampfschrift "Mißbrauchte Friedenssehnsucht" - das Bundesinnenministerium zahlte ihm 12000 Mark Honorar. Obendrein gabs noch eine stattliche Summe vom Verlag, weil das Ministerium fast die gesamte Auflage von Bärwalds Buch aufkaufte. Der Parlamentarische Staatssekretär Carl- Diieter Spranger (CSU) hatte den Kommunisterfresser zuvor drei Jahre in seinem Abgeordnetenbüro als wissenschaftlichen Mitarbeiter beschäftigt. 
 

© Schimmeck