TOM SCHIMMECKs ARCHIV
September 2008
 

„Murdoch ist phantastisch“

Die Republikaner setzen Blogger im Kampf gegen die "etablierten Medien" ein. 
 

von Tom Schimmeck


E

ric Golub,36, wieselt rastlos durch die Hallen. Ein kleiner Mann mit Hut und zerknautschtem Jackett, auf der Suche nach großen Namen und Geschichten. „Man muss schon ein paar Schrauben locker haben“, sagt er, „um brillant zu sein.“

Golub ist Blogger, einer von Hunderten, die sich mit Wonne in den Dienst von John McCain und der Republikanischen Partei stellen. Der „Tygrrrr Express“, sein Online-Organ, beschäftigt sich werktags mit Politik, am Wochenende auch mit Football und Frauen. Die Abendkolumne über die Premiere von Sarah Palin, der neuen Vize-Kandidatin John McCains, leitete er mit einem siebenfachen „Wow!“ ein: Lady Thatcher sei wiederauferstanden, vermeldete Golub, schon zitterten die Demokraten in „völliger Panik“. Denn Palin habe „Nerven aus Stahl“, eine „rasierklingenscharfe Zunge“, ihr Kopf sei „schnell wie das Licht“. Bedauerlich nur, dass er nicht ihr Gatte sein dürfe.

Barack Obama und die Demokraten setzten früh auf das Internet – als Stimulus und Sammelbüchse. Die Republikaner ziehen nun nach. In Scharen bat ihre Abteilung „Special Press Operations“ vergangene Woche rechte Blogger zum Parteitag nach St. Paul. Senator Fred Thompson schmeichelte ihnen gar mit einem „Blogger's brunch“ im 22. Stock des Crowne Plaza. Was manchen Internet-Jauchzer über den „tollen Blick“ auf den Mississippi nach sich zog. Blogs wie „America can only be right“, „Brutally Honest“, „God, Guns and Grits“ oder „NeoCon Express“ gelten den Parteistrategen als Wunderwaffe, kämpfen die Online-Kameraden doch mit dem Feuereifer von Sektenführern für die ultrakonservative Sache. Gerne verbreiten sie Witze, Gerüchte und Häme, attackieren den Gegner schnell, subjektiv und schamlos. Ihr Credo: „Nobama!“

„Die Mainstram-Medien lügen. Mit der New York Times kann man nur seinen Müll einwickeln“, erklärt der Kalifornier Golub, der sein Geld als Börsenmakler verdient. „Bei mir gibt es kein fair und ausgewogen, bei mir gibt es nur konservativ“, meint auch „Cyber-Pastor“ Ed Boston, 46, aus Hope, Indiana, der über „Gott und Politik“ schreibt. „Die Partei sagt, sie braucht uns, um die Botschaft nach draußen zu tragen.“ Es ist, wie wenn das Vaterland ruft: Da wird nicht lange gefragt. Bostons Enthusiasmus für John McCain ist noch frisch – bei den Vorwahlen kämpfte er wie viele Bloggerfreunde für noch weit konservativere Kandidaten. Doch jetzt ist er „begeistert“, besingt in Reimen Charakter, Mut und die Visionen des John McCain. Und Vize Palin werde, freut sich der Pastor, „dem christlichen Teil der Partei neue Kraft geben“.

Die Hinwendung der Partei zu den Bloggern geht mit schweren Attacken auf die „Mainstream-Medien“ einher. Auch nach acht Jahren George W. Bush gerieren sich viele Republikaner gern als von einer liberalen Ostküsten-Elite unterjochte Minderheit. Unverdrossen knöpfen sich die rabiaten „Talk-Radios“ tagtäglich jeden vor, der links von Dick Cheney das Wort zu ergreifen wagt. In aufgeklärten Medien grübelt man seit Jahren, wie kritischer Geist, vor allem zu Beginn des Irak-Krieges, derart versagen konnte. Den Organen der Ultrakonservativen hingegen sind Selbstzweifel völlig fremd. Rechts sein und Recht haben ist für sie eins.

Das Spektrum hat sich in der Ära Bush stark verschoben. Auf der US-amerikanischen Skala würde Angela Merkel weit links landen. Viele traditionell kritische Blätter sind den Republikanern in den Bush-Jahren weit entgegen gegangen – stets bemüht, auch die Stimme der Regierung zu transportieren. Gerade die „Washington Post“ unternahm erstaunliche Verrenkungen, um im Weißen Haus zu gefallen. 2006 heuerte das Blatt gar einen Blogger aus dem rechten Lager an. Der nach Plagiatsvorwürfen aber bald wieder weichen musste.

Blogs mit Namen wie „Right Truth“, „Sharp Right Turn“, „Screw Liberals“ oder „The Exorcist“ hingegen lassen wenig Luft für Dialog, feuern weiter in Guerilla-Manier gegen das demokratische „Establishment“. Sie kippen Jauche über Muslime, Immigranten, Kriegs-Kritiker und andere „Kommunisten“ und „Terroristen“. „Liberal“ ist für sie ein wirklich schlimmes Schimpfwort. Für „fair und ausgewogen“ halten viele Republikaner allein den kaum minder aggressiven Murdoch-Kanal „Fox News“. „Murdoch ist phantastisch“, meint Blogger Golub. „Das Gros der Medien ist doch links von Leo Trotzki.“

Vergangene Woche knöpften sich Strategen der McCain-Kampagne unliebsame Reporter, die nach der Eignung der Überraschungskandidatin Palin fragten, gleich namentlich vor. McCain ließ ein Interview auf CNN absagen. Parteitagsdelegierte buhten im Saal, sobald nur das Wort „Medien“ fiel. Die Feindseligkeit der „Elite-Medien“, frohlockte Ex-Präsidentschaftskandidat Mike Huckabee, habe „die Republikaner vereint“. Es seien die „schärfsten Angriffe auf Journalisten seit Menschengedenken“, beobachtet die New York Times. Die Medienaversion der Rechten hat Tradition. Im Internet werden T-Shirts feilgeboten mit der Aufschrift: „Rope. Tree. Journalist. Some assembly required.“ Frei übersetzt: Seil. Baum. Journalist. Zum selber zusammenbauen.

Gibt es Grenzen? „Oh ja“, beteuert Blogger Bill Smith, 62, aus Arkansas: „Wenn einer schreiben würde: ‚Hängt Obama auf!’, würde ich das nicht zulassen.“ Smith war 22 Jahre beim Militär. Seine Karte, verziert mit Adler und Sternenbanner, weist ihn als „National Political Director“ einer Organisation namens „Let’s Get This Right“ aus. Man habe schon sechsstellige Summen gesammelt, berichtet Smith – „ für Republikaner, die uns gefallen“. Erwarten seine Leser nicht ein Minimum an Distanz? „Ich berichte, mache Nachrichten“, sagt Smith mit einem spitzen Lacher, „aber gewiss nur in die Richtung, die ich will.“ Er verachtet den Wohlfahrtsstaat, setzt auf „Waffen, Religion und freie Rede“. Seine Frau, erzählt er, habe bei Palins Ansprache vor Entzücken geweint.

„Natürlich sind wir Alliierte, wir werden ein immer wichtiges Werkzeug der Partei“, meint Erick Erickson, „Managing Editor“ von „Redstate“, einem kommerziell erfolgreichen rechten Blog. Der Profi-Blogger, ein ehemaliger Anwalt, bezieht ein Gehalt und lenkt eine Schar von Freiwilligen: „Sie nennen mich, in Anlehnung an Kim Jong Il, den ‚lieben Führer’.“ Mit der Versammlung seiner „Grand Old Party“ ist Erickson höchst zufrieden, zählte täglich an die 250 000 Besucher. Der typische Leser sei „zwischen 40 und 45, männlich, weiß, verheiratet, recht gut verdienend“. Und im Besitz einer Waffe? „Wahrscheinlich mehrerer“, mutmaßt er. „Und einer Bibel.“

„Demokraten betrachten ihre Blogger eher als Aktivisten, Republikaner eher als Journalisten“, beobachtet Katherine Morrison, 33, Bloggerin aus New Hampshire, die sich erst kürzlich der Sache McCains verschrieben hat. Sie selbst sieht sich nicht als Journalistin. Genau so wenig wie Richard Ivory, ein schwarzer Republikaner aus Harlem, der als „Hip Hop Republican“ einige Berühmtheit erlangt hat. Für den Parteitag, berichtet er stolz, habe ihn „The root“, eine Web-Dependance der Washington Post, unter Vertrag genommen. „Es ist derzeit schwierig, als Schwarzer bei den Republikanern zu sein“, räumt Ivory ein: „Mein Herz ist bei Obama, mein Kopf ist mit McCain.“ Im Hautberuf betreut er Obdachlose. Als Blogger, sagt er, bediene er „einfach eine Nische, die sonst keiner beachtet: Schwarze Republikaner“. Gerade zwei Prozent der republikanischen Delegierten waren diesmal schwarz.

Die Blogger auf der Pressetribüne machen sich einen Spaß daraus, den Parteitagsrednern lauten Beifall zu spenden. „Wir haben hier eine tolle Zeit“, freut sich der rührige Golub vom „Tygrrrr Express“. Er ist Jude. Sein Vater hat den Holocaust überlebt. Er fürchtet den „Islamofaschismus“, verlangt nach einer „aggressiven, maskulinen Außenpolitik, die Terroristen umbringt“. Die Geschichte werde dem „großen Mann George Bush“ Recht geben, prophezeit er, hinfort eilend. „Und diese Geschichte beginnt jetzt.“



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